A/S Scandia - Teil 6: Besatzungszeit und Neuanfang


Unter deutscher Besatzung
Die deutsche Besatzung Dänemarks am 9. April 1940 änderte schlagartig das Leben im Lande und so auch die wirtschaftlichen Bedingungen bei Scandia. Die Materialbeschaffung wurde erheblich erschwert und die Rationierung von Mineralölprodukten beendete den Einsatz von Triebfahrzeugen mit Verbrennungsmotoren. Als Ersatz bot Scandia die Montage von Gasgeneratoren an und rüstete einige Omnibusse zu Schienenfahrzeugen um.

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Demgegenüber standen Bestellungen für einige hundert Güterwagen von Seiten der DSB und der DRG sowie von 250 Kesselwagen für die deutsche Kriegsmarine. Die Wagen wurden weitgehend nach deutschen Vorlagen gebaut.

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Mit den deutschen Aufträgen bestand nun wieder die Möglichkeit zur Materialbeschaffung und die Zahl der Mitarbeiter sprang auf 800. Allerdings sorgte sich Scandias Management, den Unwillen der national gesinnten Bevölkerung zu erregen und um die Gefahr, Ziel alliierter Bomber zu werden. Tatsächlich blieb Scandia aber in beiderlei Hinsicht verschont, da weder nennenswerte Sabotageakte des dänischen Widerstandes noch Luftangriffe erfolgten. Die nationale Einstellung der Belegschaft wurde erst deutlich, als die Wehrmacht 1944 die gesamte dänische Polizei internierte. Mehrfach verhinderten die Arbeiter mit Prügelexpeditionen, daß der Schwarzmakt und andere kriminelle Elemente die Kontrolle in Randers übernahmen. Die Befreiung am 5. Mai 1945 wurde schließlich durch das stolze Hissen des Danebrog und einen arbeitsfreien Tag begrüßt.


Die ersten Nachkriegsjahre
Die ersten Jahre nach der deutschen Besatzung waren bei Scandia durch Materialmangel und Importbeschränkungen auf Grund fehlender Devisen gekennzeichnet. Trotzdem begann bereits im Sommer 1945 die Arbeit an einem neuen Schienenbustyp für die dänischen Privatbahnen. Dabei handelte es sich um eine Lizenzausgabe der schwedischen "Rälsbussar" aus dem Hause Hilding Carlsson, die in Dänemark als "Skinnebusser" bekannt wurden. Die Fahrzeuge erfreuten sich allgemeiner Beliebtheit und wurden bis in die 1950er Jahre in zwei Serien mit insgesamt 98 Triebwagen und 91 Beiwagen ausgeliefert.

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Einige Privatbahnen wurden weniger großzügig mit Fördermitteln zur Beschaffung neuer Fahrzeuge bedacht und mußten sich anderweitig behelfen. So enstanden bei Scandia eine kleine Zahl individueller Lösungen, die unter Verwendung vorhandenen Materials gefertigt wurden. Hierbei handelte es sich um die Loks SB M 5, SB M 6 und SKRJ M 4 "David" sowie den Triebwagen RGGJ M 4.

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Weiterhin wurde verschlissenes Material der Privatbahnen instand gesetzt oder mit völlig neuen Aufbauten versehen, darunter der Triebwagen OHJ M 3.

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Die Bestellungen für Waggons der DSB liefen dagegen zögerlich an und stabilisierten sich erst um 1950. Zusätzlich waren auch wieder Wagenkästen für eine Neuauflage der Frichs-Triebwagen der Typen MO und MK/FK gefordert. Weiterhin kamen vereinzelte Exportaufträge, darunter Schlaf- und Speisewagen für die norwegischen Staatsbahnen NSB.

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Zum 100-jährigen Jubiläum konnte sich A/S Scandia 1961 als modernes und gesundes Unternehmen präsentieren. Man beschäftigte an die 1000 Mitarbeiter und verfügte über ein Gelände in der Größenordnung von 60.000 m². Zur Sicherung von ausreichendem, qualifizierten Nachwuchs war eine Lehrlingswerkstatt eingerichtet worden. Mit der Einrichtung kultureller und sportlicher Einrichtungen beabsichtigte man die Mitarbeiter dauerhaft zu halten. Der Gleisanschluß des Werkes wurde nach der Schließung der Privatbahn RHJ ab 1969 von der DSB bedient.


Kraftfahrzeuge, Straßenbahnen und andere Produkte
Neben dem Waggonbau arbeitete Scandia daran, weitere Geschäftsbereiche zu erschließen: Bereits in den 1920er Jahren hatte man begonnen, vereinzelt Nutzfahrzeuge zu bauen, wobei oft mit Triangel kooperiert wurde. Bis 1948 waren insgesamt 350 Lkw-Chassis und 110 Bus-Chassis hergestellt worden. Ab 1955 erschienen im Sortiment auch Tankfahrzeuge, von denen u.a. vier in Sonderbauform für die Flugplätze der dänischen Luftwaffe geliefert wurden. Insgesamt war die Kfz-Sparte aber der internationalen Konkurrenz nicht gewachsen. Scandia engagierte sich 1976 bei "Aabenraa", einem Hersteller von Buskarosserien. Dieses Unternehmen verwendete vorwiegend Chassis von Volvo und belieferte u.a. die DSB bei einer Jahreskapazität von ca. 200 Fahrzeugen. 1986 wurde mit der Umfirmierung von Scandia (s.u.) der Firmenname in "Ascan Bus" geändert, bevor das Unternehmen 1988 an die deutsche Kässbohrer-Setra veräußert wurde.

Im Zeitraum 1901-47 fertigte Scandia zahlreiche Trieb- und Beiwagen für die elektrischen Straßenbahnen von Århus, Kopenhagen und Odense. Die elektrischen Ausrüstungen stammten nicht aus eigener Produktion, sondern wurden zugekauft. 1990 folgte eine Serie von Wagenkästen für 35 Doppelwagen der Tram in Baltimore, USA. Insgesamt fertigte Scandia 688 Einheiten für elektrische Straßenbahnen.

Für die dänischen Streitkräfte fertigte Scandia u.a. Bürocontainer als mobile Kommunikations- und Kommandoräume, die auf Lkw verladbar waren. In den 1970er und -80er Jahren entstanden die Typen M/77 und M/83 in verschiedenen Versionen.


Moderne Fahrzeuge
Ab den 1960er Jahren konnte Scandia als de facto Monopolist am dänische Markt einen stetigen Auftragsstrom durch die DSB verbuchen. In dieser Zeit wurden größere Zahlen an Reisezugwagen der Gattungen A und B nach UIC-Standard beschafft, in den 1970ern folgten entsprechende Nahverkehrswagen der Gattung Bn mit den dazu passenden Steuerwagen Bns. Parallel zu diesen Beschaffungen wurde der Güterwagenpark der DSB mit UIC-konformen Waggons modernisiert. In Kooperation mit Frichs lieferte Scandia außerdem die Wagenkästen für die kopenhagener S-Bahn der 2. Generation, Baureihe MM.

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Mit dem Auslaufen der Beschaffungen von Reisezugwagen war ein Abflauen des Eisenbahnmarktes absehbar und Scandia erschloss sich andere Geschäftsfelder. Anfang der 1980er Jahre machte die Produktion von Bahnmaterial nur noch die Hälfte des Umsatzes aus und bestand vorwiegend aus Zuliefer- und Montagetätigkeiten. In dieser Funktion wurde Scandia am Bau der DSB-Reihen MR, ME und EA beteiligt. Da zur Finanzierung weiterer Y-tog Triebwagen der Privatbahnen öffentliche Mittel zur Förderung der Beschäftigung verwendet wurden, kam Scandia auch hier ins Spiel. So erfolgte die Innenausstattung und Lackierung der Y-tog-Serien 7, 7A, 7B (DSB Reihe ML) und 8 in Randers.

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Trotz dieser gedämpften Aussichten, setzte Scandia viel Energie in eigene Entwicklungen. Hierzu zählte der "APO-lyn"-Wendezug zur Ablösung der Lyntog-Schnelltriebzüge und die 3. Generation der kopenhagener S-Bahn der Reihe MC.

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Neben dem Binnengeschäft konnten immer wieder Exportaufträge gewonnen werden. So finanzierte die staatliche dänische Entwicklungshilfe "Danish International Development Agency" (DANIDA) 1979 eine Serie von Schmalspur-Reisezugwagen für Bangladesch. Diese Fahrzeuge hatten flache Dächer für zusätzliche Fahrgäste und aus Beton gegossene Wagenböden, um das Kochen am offenen Feuer während der Fahrt zu ermöglichen.

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Nähere Angaben zu weiteren Scandia-Exporten liegen mir z.Zt. leider nicht vor.


A/S Scandia Übersicht
Teil 1: Anfänge bei "Hvide Mølle"
Teil 2: "Randers Jernbanevogn-Fabrik" und "Scandia"
Teil 3: Scandias Blütezeit
Teil 4: Von den 1920er Jahren zur deutschen Besatzung
Teil 5: Motorfahrzeuge von Scandia
Teil 6: Besatzungszeit und Neuanfang
Teil 7: "Bombardier Transportation Denmark"