A/S Scandia - Teil 2: "Randers Jernbanevogn-Fabrik" und "Scandia"


Randers Jernbanevogn-Fabrik 1870-76
Als sich die die Aktivitäten des Konsortiums Peto, Brassey & Betts in Dänemark ihrem Ende zuneigten, beschloß F. J. Rowan im Land zu bleiben und zusammen mit dem Bankentycoon C. F. Tietgen geschäftlich aktiv zu werden. Beide Herren teilten die Leidenschaft für den Seegelsport und besaßen gemeinsam einige Yachten. F. J. Rowan wurde mehrfach als Strohmann bei der Beantragung von Konzessionen eingesetzt, ohne daß er an den tatsächlichen Geschäften mehr als nur symbolisch beteiligt war. Das erste gemeinsame Projekt von C. F. Tietgen und F. J. Rowan war 1869 die Anlage der Maribo-Bandholm Jernbane, für die "Hvide Mølle" die Waggons lieferte. 1870 gelang es F. J. Rowan einen Auftrag der JFJ über 100 Waggons zu gewinnen, woraufhin er von M. Peto das stillgelegte Werk "Hvide Mølle" erwarb. Das wiedereröffnete Unternehmen firmierte nun als "Randers Jernbanevogn-Fabrik".

C. F. Tietgen war Initiator verschiedener Eisenbahn- und Tramprojekte innerhalb und außerhalb Dänemarks, so daß sich die Auftragsbücher der Randers Jernbanevogn-Fabrik zügig füllten. 1872 beteiligte sich das Unternehmen an "Den nordiske Industri- og Kunstudstilling" in Kopenhagen mit einem Waggon und einem Pferdestraßenbahnwagen, die beide mit einer Silbermedaille prämiert wurden. Die Zahl der Belegschaft wurde zu dieser Zeit mit 117 angegeben. F. J. Rowan nutzte die günstigen Bedingungen, um sich zurückzuziehen und den Betrieb seinem Sohn William Robert Rowan zu übertragen, der seine Ausbildung im Eisenbahnwesen bei der Anlage verschiedener Bahnlinien auf Seeland erworben hatte.

In der Produktion der Randers Jernbanevogn-Fabrik gewannen neben Eisenbahnwaggons Wagen für Pferdestraßenbahnen zahlenmäßig an Bedeutung. Aufträge kamen aus Dänemark, England, Russland, Polen, Norwegen, Finland, Neuseeland und verschiedenen deutschen Staaten. Als wichtigstes Exportland entwickelte sich Schweden. Die Wagen aus Randers erfreuten sich auf Grund ihrer Qualität und ihres Komforts allgemeiner Beliebtheit.

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Bei allen diesen Erfolgen erwies sich W. R. Rowan als fähiger Ingenieur, konnte als Werksdirektor aber mangels Führungsstärke nicht überzeugen. Schließlich wurde die Randers Jernbanevogn-Fabrik 1876 in eine Aktiengesellschaft gewandelt.


Scandia-Gründung 1876
1876 wurde die Randers Jernbanevogn-Fabrik in die Aktiengesellschaft "A/S Scandia" mit Sitz in Kopenhagen gewandelt (Scandia = lat. für das südliche Skandinavien). Die Produktion blieb am Standort Randers, der mit neuen Werkstattgebäuden modernisiert wurde. Die Leitung übernahm Gustav Frederik Ludvig Conrau. Der vormalige Eigner W. R. Rowan blieb im Vorstand der neuen Gesellschaft und hielt ein größeres Aktienpaket. Die Belegschaft zählte ca. 130 Mitarbeiter und wurde durch neue, erfahrene Ingenieure verstärkt.

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Rowans Dampftriebwagen
Der Erfolg mit Pferdebahnwagen inspirierte W. R. Rowan, eine dampfbetriebene Straßenbahn zu entwickeln. Sein Konzept sah ein Maschinendrehgestell vor, auf dem der Kessel mit der gesamten Antriebsanlage untergebracht war und das zu Wartungszwecken als vollständige Einheit vom restlichen Wagen getrennt werden konnte. Für die Maschinendrehgestelle wurden einschlägige Hersteller beauftragt, der Wagenteil wurde bei Scandia gebaut. Der erste Rowan-Dampftriebwagen wurde 1876 in Kopenhagen vorgestellt und erregte erhebliches Aufsehen. Der regelmäßige Einsatz des Fahrzeugs wurde allerdings durch den Protest empörter Anlieger sowie den Verbänden von Fuhrunternehmern und Pferdezüchtern zunächst verhindert. Erst 1884 nahm die Strandvejens Dampsporvej (SDS) mit 12 Triebwagen und ebensovielen Beiwagen den Betrieb auf, stellte diesen aber bereits 1892 wieder ein.

Zusammen mit seinen Dampftriebwagen propagierte W. R. Rowan den Bau von sogenannten "Tertiärbahnen", die durch einen vereinfachten Oberbau kostengünstig anzulegen waren. Dabei wurden besonders leichte Schienenprofile verwendet und auf die sonst üblichen Holzschwellen verzichtet. So enstanden unter finanzieller Beteiligung von A/S Scandia die "Gribskovbanen" (GDS) und die "Hadsundbanen" (RHJ) als Referenzstrecken. Beide Betreiber beschafften je zwei Rowan-Damoptriebwagen, die als GDS A 11-12 bzw. als RHJ A 1-2 eingereiht wurden. Weder die Trassen, noch die Dampftriebwagen dieser Bahnen zeigten sich dem steigenden Verkehrsaufkommen gewachsen und so wurden die Verbindungen bald zu normalen Bahnen ausgebaut, die dann mit regulärem Eisenbahnmaterial befahren wurden.

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Scandias Produktpalette
Unabhängig von dem Abenteuer mit den Rowanschen Dampftriebwagen, fertigte A/S Scandia weiterhin Eisenbahnmaterial. Zusätzlich versuchte man weitere Geschäftsfelder zu erschließen, indem man so ziemlich alles herstellte, was die eigenen Holz- und Metallwerkstätten liefern konnten. Hierzu zählten u.a. Fuhrwerke, Luxuskutschen und Büroeinrichtungen. Zusätzlich waren importierte Landwirtschaftsgeräte im Angebot. Zeitweilig wurden Vertriebsrepräsentanten in verschiedenen Städten installiert und in Hamburg ein auf Wagenfedern spezialisiertes Zweigwerk für den Überseemarkt betrieben.

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Trotz aller Bemühungen blieb A/S Scandia wirtschaftlich unsicher. 1880 brachen die Aufträge so weit ein, daß die Belegschaft von 200 auf 60 reduziert werden mußte und nur das Eingreifen der Handelsbanken das Unternehmen rettete. W. R. Rowan mußte einige seiner Patente als Sicherheit hinterlegen und zog sich aus der Unternehmensführung zurück. Sein Nachfolger G. F. L. Conrau übernahm ein Unternehmen mit verschlissenen Produktionsmitteln und leeren Auftragsbüchern. Es folgten extrem schwierige Jahre, in denen man sich im Wesentlichen nur durch den Export von Pferdestraßenbahnen und -omnibussen über Wasser halten konnte. Als G. F. L. Conrau 1894 schließlich Scandia mit großen Ehren für seine Leistungen verließ, waren unter seiner Führung 1705 Eisenbahnwagen, 25 Dampftriebwagen und ca. 450 Pferdestraßenbahnen gebaut worden. Der letzte Pferdetramwagen wurde 1893 an die "Kjøbenhavns Forstæders Sporvej" mit der Nr. 13 geliefert, als einziger erhaltener Scandia-Pferdestraßenbahnwagen steht Wagen Nr. 11 von 1890 im Stadtmuseum Helsingfors.

Erst um 1895 gelang es unter Niels Peter Bruun, A/S Scandia finanziell auf sichere Füße zu stellen, wobei vermehrte DSB-Aufträge ab Ende der 1880er Jahre eine wesentliche Rolle spielten. Nun konnte man sich auch um die Beschwerden des benachbarten Hospitals kümmern und ein neues Werksgelände suchen. Als neuer Standort wurde der nahe gelegene Hof "Marienlyst" am Udbyhøjweg erworben, wo neue Fabrikhallen und ein Gleisanschluß zur Randers-Hadsund Jernbane (RHJ) errichtet wurde. Die alten Liegenschaften wurden vom Randers-Hospital zurückgekauft und neu bebaut, so daß keine Spuren der ursprünglichen Hvide Mølle-Anlage erhalten sind. 1897 wurde das neue Werk eingeweiht und W. R. Rowan verkaufte seine letzten Scandia-Aktien.


A/S Scandia Übersicht
Teil 1: Anfänge bei "Hvide Mølle"
Teil 2: "Randers Jernbanevogn-Fabrik" und "Scandia"
Teil 3: Scandias Blütezeit
Teil 4: Von den 1920er Jahren zur deutschen Besatzung
Teil 5: Motorfahrzeuge von Scandia
Teil 6: Besatzungszeit und Neuanfang
Teil 7: "Bombardier Transportation Denmark"