Det danske Jernbane-Driftsselskab
Nach jahrzehntelangen Planungen genehmigte die dänische Krone 1861 den Bau eines
privatfinanzierten Eisenbahnnetzes in Jütland und auf Fünen.
Die Lizenz erhielt das Konsortium Peto, Brassey & Betts. Die drei
Anteilseigner Morton Peto, Thomas Brassey und Edward Ladd Betts waren
britische Großunternehmer, die weltweit bereits die Anlage von
Bahnlinien und andere Großbauprojekte abgewickelt hatten. In
Dänemark gründeten sie "Det danske
Jernbane-Driftsselskab" (DJDS), die für Bau, Betrieb und
Unterhalt der neuen Bahnlinien verantwortlich war. Die Leitung des
Unternehmens wurde dem erfahrenen Ingenieur Frederick James Rowan
übertragen. Die Finanzierung des Vorhabens wurde auf dänischer
Seite durch den legendären Bankier C. F. Tietgen und seine
Privatbank unterstützt.
Als erster Streckenabschnitt der DJDS wurde 1862 Århus-Langå-Randers
in Betrieb genommen. Zuvor wurden an den Endpunkten der Linie
Liegenschaften erworben und Produktionsstätten zur Anlage und
zum Betrieb der neuen Bahnlinien eingerichtet:
Århus wurde
Standort der Maschinenwerkstätten zur Endmontage und Wartung der
Lokomotiven. Letztere wurden aus England importiert, wo sie von den
Canada Works in Birkenhead vorgefertigt worden waren. In Århus
gab es auch Drehbänke zum Abdrehen von Radsätzen. Dieser
Standort blieb in Form der DSB-Zentralwerkstätten als
Bahngelände bis in die Gegenwart erhalten. In
Randers
entstanden Werkstätten zur Verarbeitung von Holz und Metall.
Hier wurden Eisenbahnwagen, Einrichtungen für Bahnhöfe,
Weichen, Signale und vieles mehr hergestellt. Als Werksgelände
wurde 1859 die alte Wassermühle "Hvide Mølle"
(Weiße Mühle) erworben und durch enteignete Flächen
des benachbarten Krankenhausstiftes ergänzt. Dieser Standort war
lediglich für den Zeitraum zur Anlage der neuen Bahnlinen
vorgesehen und sollte anschließend an das Randers Hospital
zurückgegeben werden. Tatsächlich wurde diese Einrichtung
zur Keimzelle des späteren Unternehmens Scandia. Da das Werk
kein eigenständiges Unternehmen bildete, wurde die Einrichtung
umgangssprachlich weiterhin als "Hvide Mølle"
bezeichnet.
Erste Waggons aus Randers
Von den alten Gebäuden
auf dem "Hvide Mølle"-Gelände in Randers
fanden lediglich die Wohnhäuser weitere Verwendung. 1861 begann
der Bau verschiedener Werkstätten und eines Maschinenhauses mit
einer 25 PS-Dampfmaschine. Die Hallen der Karosseriebauer und
Lackierer mit jeweils zehn Gleisen lagen einander gegenüber und
konnten über eine Schiebebühne angefahren werden. Die
ersten Waggons wurden 1861 fertiggestellt. Zur Auslieferung von Wagen
auf dem Seeweg wurden zwei Lastkähne beschafft, die mit
Dampfschiffen zum Zielort geschleppt werden konnten.
Hvide Mølle" nahm die Arbeit mit ca. 100 Angestellten auf, deren Zahl sich im
Laufe der 1860er Jahre auf bis zu 200 steigerte. Die Führungskräfte
und Ingenieure stammten fast alle aus England, während die
Facharbeiter für den Wagenbau vorwiegend aus den norddeutschen
Gebieten angeworben wurden. Die Einstellung erfolgte unabhängig
von den traditionellen Handwerkszünften. "Hvide Mølle"
wurde damit zum größten industriellen Arbeitgeber der
Region. Die zahlreichen zugereisten Kräfte führten zu einer
Belebung des gesellschaftlichen Lebens in Randers. Insbesondere das
Auftreten der britischen Unternehmensleitung mit eleganten Kutschen
und imposanten Rennyachten beeindruckte ungemein. Begeistert wurden
bisher unbekannte Freizeitbeschäftigungen angenommen wie das
Sportfischen, das Ziehen von Tomaten in Gewächshäusern und
die Veranstaltung internationaler Regatten.
Der Krieg um die dänisch
verwalteten Herzogtümer Schleswig und Holstein brachte 1864 die
Produktion bei "Hvide Mølle" zum Erliegen. Da
Unklarheit über die britische Haltung in diesem Konflikt
bestand, zog sich das englische Management nach Kopenhagen zurück,
um der Besetzung Jütlands durch Preußen und Österreich
zu entgehen. Nach dem Abzug der Truppen kam der Betrieb bei "Hvide
Mølle" nur langsam wieder in Gang, so daß 1864
lediglich neun Waggons fertig gestellt wurden.
Der wirtschaftliche Erfolg
der DJDS blieb insgesamt hinter den Erwartungen des Konsortiums Peto,
Brassey & Betts deutlich zurück, so daß die Anlagen
dem dänischen Staat 1865 erstmals zur Übernahme angeboten
wurden. Der Börsencrash von London am 11. Mai 1866 ("Schwarzer
Freitag") zwang die Teilhaber Peto und Betts zur Einstellung
ihrer Zahlungen, Brassey blieb dagegen liquide und führte das
Unternehmen fort. 1867 übernahm der dänische Staat die DJDS
unter dem neuen Namen "Jydsk-fyenske Jernbaner", wobei
Peto die Fertigstellung der begonnenen Strecken garantierte. 1869
wurden die Arbeiten mit der Einweihung der Verbindung Randers-Aalborg
abgeschlossen. Peto, Brassey & Betts hatten damit in Dänemark
ein Schienennetz von 496 km angelegt und 545 Waggons gebaut. Der
Standort "Hvide Mølle" verblieb in Petos Besitz
und wurde im selben Jahr geschlossen, nachdem die gesamte Belegschaft
entlassen worden war. Die "Jydsk-fyenske Jernbaner" (JFJ)
wurde schließlich 1892 mit "De sjællandske
Jernbaner" (SJS) zu "De danske Statsbaner" (DSB)
fusioniert.
Waggonbau bei "Hvide Mølle" 1861-69
In den Jahren 1861-69
lieferte das Werk "Hvide Mølle" über 500
Waggons, wobei nahezu die gesamte Produktion an das Konsortium Peto,
Brassey & Betts ging. Lediglich 1869 wurden 16 Waggons für
die neue Privatbahn Maribo-Bandholm Jernbane (MBJ) gebaut, deren
Vorstand auch der DJDS-Geschäftsführer F.J. Rowan
angehörte. Das größte Kontingent der Fahrzeuge
bildeten Güterwagen, gefolgt von Personenwagen. Weiterhin wurden
in vergleichsweise geringen Stückzahlen Draisinen und
Schneepflüge hergestellt. Bei den Waggons handelte es sich um
zweiachsige Wagen, die vorwiegend nach englischen Vorbildern gebaut
waren. Die Reisezugwagen waren als Abteilwagen mit seitlichen
Einstiegen und Laufbrettern für das Bahnpersonal ausgeführt.
Für die MBJ wurden die Personenwagen erstmals in Dänemark
als Mittelgangwagen mit Einstiegsbühnen an den Stirnseiten nach
amerikanischem Vorbild gefertigt.
A/S Scandia Übersicht
Teil 1: Anfänge bei "Hvide Mølle"
Teil 2: "Randers Jernbanevogn-Fabrik" und "Scandia"
Teil 3: Scandias Blütezeit
Teil 4: Von den 1920er Jahren zur deutschen Besatzung
Teil 5: Motorfahrzeuge von Scandia
Teil 6: Besatzungszeit und Neuanfang
Teil 7: "Bombardier Transportation Denmark"