Verlust der Eigenständigkeit
1985 startete unter der Leitung des DSB-Ingenieurs Niels Tougaard Nielsen das Projekt des
"
IC3",
eines dreiteiligen Dieseltriebzuges, der bei Scandia entwickelt wurde.
Mit diesen Fahrzeugen sollten alle
lokbespannten Reisezüge abgelöst werden. Die Züge
sollten kombinierbar und die sich gegenüberliegenden Stirnseiten
mit aufblasbaren "Gumminasen" gegeneinander abdichtbar
sein. Da vorzugsweise bewährte Technologien verwendet werden
sollten, meinte man auf die Erprobung von Prototypen verzichten zu
können. Dieser ehrgeizige Ansatz rächte sich insbesondere
bei den vielfältigen rechnergestützten Systemen und den
Laufeigenschaften, so daß weder der Kosten- noch der Zeitrahmen
annähernd eingehalten werden konnte. Scandia war mit diesem
Projekt finanziell überfordert und so wurde das Unternehmen 1986
von einem Konsortium aus der Ascan A/S sowie der
schwedischen ABB und dem "Lønmodtagernes Dyrtidsfond"
übernommen. Scandia firmierte nun als Ascan Scandia A/S und
wurde schließlich 1991 durch die schweizer ABB Brown Boveri
Ltd. zu 51 % übernommen. Die nun gültige Firmenbezeichung
lautete ABB Scandia A/S.
Neue Ausrichtung
Der neue Scandia-Eigentümer ABB Brown Boveri Ltd. mit Sitz in Zürich
war 1987 aus der Fusion der schwedischen ASEA AB und der schweizer
BBC Brown Boveri Ltd. entstanden. Das Unternehmen befand sich in
einer Phase strategischer Firmenaufkäufe mit dem Schwerpunkt
Energieversorgung. 1996 schlossen ABB Brown Boveri Ltd. und die
Daimler Benz AG ihre Verkehrssparten zur ABB Daimler Benz
Transportation (ADtranz) zusammen, dem seinerzeit weltgrößten
Hersteller von Schienenverkehrstechnik. Nach dem Rückzug der ABB
übernahm die DaimlerChrysler AG 1999 diesen Geschäftsbereich
vollständig, der nun als DaimlerChrysler Rail Systems firmierte.
Schließlich veräußerte DaimlerChrysler seine Anteile
2001 an die Bombardier Transportation, einer Tochter des kanadischen
Bombardier Konzerns. Das vormalige Unternehmen Scandia überstand
diese Zeit wechselnder Eigentumsverhältnisse und existiert seit
dem als Bombardier Transportation Denmark A/S.
Bombardier Transportation Denmark beendete das
"
IC3"-Projekt erfolgreich und
vermarktete verschiedene Varianten der Triebzüge unter dem Namen
"Flexliner". Die DSB erhielt die dreiteilige
Dieselvariante "IC3" als Reihe MFA/MFB und die
vierteilige elektrische Version "IR4" als Reihe ER.
Verschiedene dänische Privatbahnen wurden 1997 mit dem
zweiteiligen Dieseltriebzug
"
IC2" ausgestattet.
Exportversionen der Dieselvariante gingen nach Schweden (SJ Y2,
"Kustpilen"), Spanien (Renfe Serie 594) und Israel (IC3,
"Ayssee"). Auf eine Präsentationstour der Fahrzeuge
in den USA und Kanada 1996-98 folgten keine weiteren Aufträge.
Schließlich bestellte 1996 die Belgische Staatsbahn (SNCB) 240
Frontsysteme mit schwenkbaren Führerständen und
aufblasbaren Gummidichtungen für die in Belgien gebauten
Triebzüge der Reihe AM 96. Die ab 2000 von der DSB und der SJ
beschafften "Øresund"-Züge basieren ebenfalls
auf dem Flexliner-Konzept, wurden aber von den schwedischen
Bombardierwerken in Kalmar und Västerås gebaut.
1988 präsentierte sich die Ascan Scandia mit einem Messestand auf der
IVA (Internationalen Verkehrsausstellung) in Hamburg. Gezeigt wurde ein
Mockup der IC3-Frontpartie. Zusätzlich konnte auf dem Freigelände
der Messe ein original IC3 besichtigt werden.
Die Flexliner blieben das letzte Produkt der Bombardier Transportation Denmark.
Entwürfe für den zukünftigen IC4 Triebzug der DSB fanden keine Berücksichtigung.
Zur Handhabung und Auslieferung der eigenen Produkte sah sich Scandia veranlaßt,
eigene Triebfahrzeuge zu beschaffen. Für Rangieraufgaben auf dem Werksgelände
wurde 1986 der DSB-Traktor 128 Typ "Ardelt" gekauft. Zur Überführung fertiger
Triebzüge der Reihe ER wurde die DSB-Lok MY 1105 erworben, da Randers nicht an das
Oberleitungsnetz angeschlossen war. Die Lok wurde mit Scharfenberg-Kupplungen
ausgestattet und war 1995-98 in einem eigenen rot/weißen Farbschema im Einsatz.
Bombardier Transportation Denmark heute
Mit der Auslieferung der "IC 2"-Triebzüge
stellte Bombardier Transportation Denmark den
Bau von Triebfahrzeugen ein. Heute (Stand 2008) sind an den
Standorten Hvidovre und Randers ca. 500 Mitarbeiter beschäftigt
mit der Endmontage und Modernisierung von Eisenbahnfahrzeugen.
Weiterhin werden Diesel-Antriebsanlagen entwickelt und montiert.
Bombardier Transportation Denmark erhielt u.a. größere Aufträge
von der Nederlandse Spoorwegen (NS) bzw. von deren Töchtern Nederlandse Spoorwegen
Reizigers und Railion Nederland N.V. Diese umfaßten die
Modernisierung und Remotorisierung einer größeren Anzahl
mehrteiliger Triebzüge sowie die Ausrüstung von 20 Loks der
Reihe 6400 mit dem Zugsicherungssystem ETCS. Von der schwedischen
Green Cargo kam 2007 ein Großauftrag zur Modernisierung von 42 Elektrolokomotiven
des Typs Rc 2 und 62 Diesellokomotiven des Typs T 44. Das Projekt
wird gemeinsam von den Bombardier-Werken in Västeras (Schweden)
und Randers (Dänemark) ausgeführt und ist mit einer
Laufzeit von sechs Jahren angesetzt.
Das Werksgelände
Das Scandia/Bombardier Werksgelände in Randers liegt im östlichen
Teil der Stadt zwischen dem Udbyhøjvej und der Toldbodgade.
Der Anblick von außen ist aus industriearchitektonischer Sicht
eher unspektakulär, da das Gelände vorwiegend mit flachen
Hallen bebaut ist. Das einzige höhere Gebäude ist das
dreistöckige "Folkerumsbygning" von 1944 am Werkstor
Udbyhøjvej.
Anschrift und Kontakt:
Bombardier Transportation Denmark
Toldbodgade 39
DK-8900 Randers
Phone: +45 86 42 53 00
www.transportation.bombardier.com
Eine Gruppe ehemaliger Scandiamitarbeiter schloß sich 2021 zusammen, um
ein Scandia-Museum zu gründen:
https://scandia-museum-randers.dk
A/S Scandia Übersicht
Teil 1: Anfänge bei "Hvide Mølle"
Teil 2: "Randers Jernbanevogn-Fabrik" und "Scandia"
Teil 3: Scandias Blütezeit
Teil 4: Von den 1920er Jahren zur deutschen Besatzung
Teil 5: Motorfahrzeuge von Scandia
Teil 6: Besatzungszeit und Neuanfang
Teil 7: "Bombardier Transportation Denmark"