2. Borsig Lokomotiven
Borsig-Nachfolger BLW und Rheinmetall-Borsig:
Nach der Abgabe des Borsig´schen Lokomotivbaus an die AEG 1930, wurde die gesamte Lokproduktion
an das AEG-Werk Hennigsdorf übertragen und dort als "Borsig Lokomotiv-Werke G.m.b.H." (BLW) weitergeführt,
einzelne Aufträge wurden bis 1935 im alten Werk in Tegel fertiggestellt. Während des 2. Weltkrieges baute
BLW in großen Stückzahlen fast ausschließlich Lokomotiven der Baureihen DRG 44, 44ÜK, 50 und 52.
1943/44 mußte BLW die Produktion in Hennigsdorf in Folge alliierter Bombenangriffe
einstellen und zum Ende des 2. Weltkrieges waren die Anlagen zu 80 % zerstört. Dessen ungeachtet erarbeitete
BLW Lokomotiv-Entwürfe für Hitlers utopische 3 m-"Reichsspurbahn" und beteiligte sich
1943 mit 2 Vorschlägen an der DRG-Ausschreibung einer schweren, schnellen Güterzuglok als
Baureihe 53. Bemerkenswert war hier der Entwurf einer Gelenklok der Bauart Mallet mit der Achsfolge
(1‘ C) D sowie mit einem 4-Zylinder-Verbundtriebwerk mit einer Leistung von 3.000 PS. Laut einem Augenzeugen
wurde tatsächlich mit dem Bau der Maschine begonnen, wobei der Rahmen Ende 1943 fertiggestellt war, dagegen
waren Kessel, Zylinder und Radsätze noch in Arbeit. Die Lok wurde nie fertiggestellt, ihr Verbleib ist
nicht überliefert.
Nach dem Ende des 2. Weltkriegs wurde BLW auf Befehl der
sowjetischen Militäradministration demontiert, enteignet und 1947 in Volkseigentum überführt.
1951 als "VEB Lokomotivbau-Elektrotechnische Werke 'Hans Beimler' (LEW)" neu gegründet, nahm man
den Lokomotivbau wieder auf und schloß bei den Dampfloks an die Werksnummernzählung der BLW an. Mit der
letzten LEW-Dampflok (DR 65 1002, LEW 16352 / 1954) wurde nach 113 Jahren und
gut 13.000 abgelieferten Einheiten die Lokomotivtradition des Hauses Borsig 1954 beendet.
Auch bei der "Rheinmetall-Borsig AG" gab es nach der Abgabe des Lokbaus an BLW das Thema Eisenbahn in
Form der Entwicklung von Kesseln für Dampftriebwagen. So entstanden ab 1932 einige Versuchstriebwagen für
die DRG nach dem amerikanischen System Doble mit ölgefeuerten Hochdruck-Kesseln, schnelllaufenden Dampfmaschinen
sowie Kondensatoren zur Wasserrückgewinnung. Bei den speicherlosen Dampferzeugern erfolgte die Zufuhr von
Speisewasser und Brennstoff mit automatischer Regelung in Abhängigkeit der direkt erforderlichen Dampfmenge.
Nach der politischen Vorgabe bevorzugt heimische Festbrennstoffe zu verwenden, entwickelte Rheinmetall-Borsig
für diese Anwendung ein System für Schwelkoks, der auf einem Wanderrost zugeführt wurde. Als
Versuchsträger entstand 1937 bei Wismar der Triebwagen DRG DT 59, der u.a. an den abweichenden Brenneigenschaften
verschiedener Kokssorten scheiterte.
Box: Borsig-Stromlinienloks
1931 schlug die "Deutsche Lokomotivbau Vereinigung" (DLV) der DRG den Bau stromlinienverkleideter Dampfloks zur
Beschleunigung des Reiseverkehrs vor. Die DRG setzte zu dieser Zeit auf dieselgetriebene Schnelltriebzüge, willigte
aber in die Beschaffung einer Versuchslok ein, wobei die interessierten Hersteller als Wettbewerber
auftreten sollten. An der Ausschreibung beteiligten sich BLW, Henschel, Krauss-Maffei, Krupp, Schichau
und BMAG, die eine Vielzahl von Entwürfen zur Diskussion stellten. Neben vergleichsweise konservativen
Vorschlägen fanden sich hier auch Konzepte mit Turbinenantrieb, mit gewendetem Kessel und vorn liegendem
Führerstand sowie mit Dampfdrücken von bis zu 25 at. Schließlich entschied Ende 1933 das
Rennen ein Entwurf von BLW mit der Achsfolge 2' C 2' h3 und einer Dampfspannung von 20 at. Für die
aerodynamische Ausformung der Stromlinienverkleidung wurden umfangreiche Modellversuche im Windkanal sowie
Messfahrten mit der teilverkleideten Versuchslok 03 154 durchgeführt. Dabei wurde ein Leistungsgewinn
von 150 bis 200 PS in Folge der optimierten Strömungsverhältnisse ermittelt. 1935-37 wurden dann
die 3 Schnellfahrloks der Baureihe 05 geliefert, von denen 05 002 am 11. Mai 1936
den Geschwindigkeitsweltrekord auf 200,4 km/h setzte. In der öffentlichen Wahrnehmung erzeugte die rotlackierte
Stromlinien-Vollverkleidung aber ein geteiltes Echo - es fehlte einfach der dynamische Eindruck des arbeitenden
Triebwerks, das als prägendes Merkmal einer Dampflok angesehen wurde.
Die DRG beschaffte ab 1939 eine größere Anzahl stromlinienverkleideter Ausführungen ihrer Einheitsbaureihen
als 01.10 und 03.10, wobei BLW nur an der Lieferung der Letzteren beteiligt war. Das Stromlinienprogramm der DRG wurde
im Zuge des 2. Weltkrieges eingestellt und die Loks bei ihren Nachfolgern DB und DR ohne Verkleidung im Planbetrieb
eingesetzt. Insgesamt 9 Loks der Reihe 03.10 verblieben bei der polnischen PKP, wo sie als Baureihe Pm3 mit
unterschiedlich weit demontierten Stromlinienverkleidungen bis 1967 eingesetzt wurden.
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2.2 Borsig-Lokomotiven in Dänemark
Borsig-Loks der SJS, JFJ und DSB:
Borsig-Lokomotiven waren in Dänemark über die gesamte Dampflokzeit präsent, angefangen mit den 6
Crampton-Loks der Thorklasse 1854 für die "Sjællandske Jernbane-Selskab" (SJS), die das
britische Anlageunternehmen "Fox, Henderson & Co." bei Borsig in Berlin bestellt hatte. Von der
"Jysk-Fyenske Jernbaner" (JFJ) wandte sich der Maskindirektør
Otto F. A. Busse d.J.
in den 1880er Jahren an Borsig, um dort die vom ihm entwickelten Loks der Baureihen A und J bauen zu lassen. Dieses
Verfahren behielt er auch als technischer Leiter der DSB bei, als er 1886 die Loks der Reihe O bestellte sowie
Nachlieferungen der Baureihen G (III) 1901 und F (II) 1909 beauftragte.
Der nachfolgende DSB-Maskindirektør Axel Floor verließ sich ebenfalls auf die Expertise des Hauses
Borsig. Er vertrat allerdings die Meinung, daß man in Dänemark nicht über ausreichend Erfahrung zur
Konstruktion moderner Lokomotiven verfügte. Vielmehr sollte diese Aufgabe an ein international renommiertes Unternehmen
übertragen werden. Daher sandte er 1912 seine Vorgaben an Borsig, wo in der Folge die Schnellzugloks der Baureihe DSB R entstanden.
Bei der Bestellung weiterer Baureihen war A. Floor aber vertraglich an das Vorzugsrecht der einheimischen Firma
A/S Frichs gebunden und so wurden für die Reihen R (II), H (I) und S lediglich einige Prototypen bei Borsig
gebaut. Die Serienfertigung erfolgte anschließend bei A/S Frichs wofür Borsig alle Unterlagen übergab. Borsig
lieferte 1854-1924 insgesamt 101 Loks an die DSB bzw. ihre Vorläufer und war damit nach Henschel und der
Maschinenfabrik Esslingen der drittstärkste Importeur von Dampfloks. Damit verantwortete Borsig die Konstruktion
der 3 modernsten Streckenloks der DSB, bei allen späteren Beschaffungen handelte es sich dagegen um Material
aus zweiter Hand bzw. um Nachbauten.
Borsig-Loks bei dänischen Privatbahnen
Die dänischen Privatbahnen beschafften 1895-1914 insgesamt 26 Borsig-Loks unterschiedlicher Bauarten,
womit Borsig hier Rang 5 unter den Dampflok-Importeuren einnahm.
Borsig-Loks bei sonstigen Betreibern in Dänemark
Neben den regulären Bahnen Dänemarks gingen Borsigprodukte auch an andere dänische Betreiber: Die
kopenhagener Straßenbahngesellschaft "A/S Strandvejens Dampsporvej" beschaffte 1884 bei Scandia
12 Rowan’sche Dampftriebwagen, die mit "Dampfbogies" aus dem Hause Borsig ausgestattet waren.
Auch bei einigen dänischen Unternehmen fanden sich Borsig-Loks, die meist als Gebrauchtware beschafft wurden.
Es handelte sich vorwiegend um B-gekuppelte Tenderloks in Regel- oder Schmalspurausführung sowie um zwei D-gekuppelte
Schmalspurloks für "De danske Sukkerfabrikker" (DdS). Wegen der begrenzten Datenlage läßt sich
der Bestand dieser Maschinen nicht vollständig erfassen, es dürfte sich um höchstens 20 Lokomotiven gehandelt haben.
Folgende Borsig-Werksnummern sind für dänische Industriebahnen belegt: 4609, 6168, 6678, 6852, 8016, 9140, 9791, 15505, 15506.
Box: Dänische Kriegsloks bei LEW
Unter deutscher Besatzung erhielt die dänische A/S Frichs 1942 eine Bestellung der DRG über einige Kessel für
die Baureihe 52 sowie über 10 Loks der Baureihe 44 (1943 auf den Typ 44 ÜK geändert). Diese Maschinen erhielten
keine Frichs-Firmenschilder, sondern lediglich Stempel am Rahmen. Die unfertigen Maschinen wurden 1944 nach Deutschland
überführt und ab 1948 bei dem BLW-Nachfolger "VEB Lokomotivbau Elektrotechnische Werke (LEW) Hans Beimler"
in Hennigsdorf bei Berlin fertiggestellt. Die Lokomotiven erhielten LEW-Werksnummern und standen bei der DR bis Ende der 1970er Jahre im Dienst.
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