3. Biographien
3.1 Erste Generation
August Borsig (* 1804, † 1854):
Johann Carl Friedrich August Borsig wurde am 23. Juni 1804 in Breslau geboren.
Sein Vater Johann Georg Borsig, ein ehemaliger preußischer
Kürassier, arbeitete als Zimmermann und so lernte sein Sohn
schon in der Schulzeit wesentliche Fertigkeiten dieses Handwerks.
Nach seiner Schulzeit absolvierte August Borsig eine Ausbildung als
Bauzimmerer und besuchte zusätzlich die "Königliche
Provinzial-Kunst- und Bauhandwerksschule". Sein gutes Examen
wurde 1823 mit einem Stipendium für den Besuch von Peter Beuths
"Technischen Schule" in Berlin belohnt. Anscheinend empfand
August Borsig hier aber den strengen Lehrplan als zu theorielastig
und verließ die Anstalt bereits 1825 ohne Abschluß -
angeblich wegen mangelnden Interesses am Fach Chemie. Auch dem
Militärdienst entging er, da bei der Musterung sein Hals als zu
dick befunden wurde. Stattdessen begeisterte er sich für die
junge Disziplin des Maschinenbaues und trat er bei Franz Anton Egells
als Praktikant in die "Neue Berliner Eisengießerei"
an der Chausseestraße ein. Hier bewies er so großes
Geschick, daß ihn Egells 1827 mit dem Aufbau und der
Inbetriebnahme einer Dampfmaschine in Schlesien beauftragte. August
Borsig bewältigte diese Aufgabe erfolgreich und erhielt ein
begeistertes Zeugnis von Kundenseite. Egells belohnte ihn großzügig
mit der vorzeitigen Freisprechung aus dem Lehrlingsstand und einer
Anstellung als "Faktor" (vergleichbar Werkmeister bzw.
Betriebsleiter). Dies eröffnete August Borsig die Möglichkeit,
sich umfassend in Eisenguß, Maschinenbau und Betriebsführung
auszubilden und sich so auf seine ersehnte Selbständigkeit
vorzubereiten. Zeitgleich knüpfte er Kontakte in die berliner
Gesellschaft, indem er dem "Verein zur Beförderung des
Gewerbefleißes" sowie dem "Verein zur Beförderung
des Gartenbaus in den Königlich Preußischen Staaten"
beitrat. Hier begegnete er neben Peter Beuth weiteren namhaften
Persönlichkeiten wie dem Naturforscher Alexander von Humboldt,
dem preußischen Gartenbaudirektor Josef Peter Lenné, dem
Architekten Karl Friedrich Schinkel und dem Begründer der
Agrarwissenschaften Albrecht Thaer. In diesem Umfeld dürfte er
auch auf den Schinkelschüler Johann Heinrich Strack (*1805, †
1880) getroffen sein, der zu seinem Hausarchitekten werden sollte und
alle repräsentativen Bauten Borsigs ausführte.
Nach dem Erhalt des Bürgerbriefs von Berlin schied August Borsig zum 1. Januar 1837
aus dem Arbeitsverhältnis bei Egells aus und widmete sich der
Gründung seines eigenen Unternehmens. Zur Finanzierung des
Vorhabens setzte er sein angespartes Vermögen ein und nahm
Kredite bei Privatpersonen auf. Die Banken seiner Zeit waren noch
nicht auf die Finanzierung von Gründern eingerichtet und er
selbst zog es vor, unabhängig von Teilhabern oder Aktionären
zu bleiben. August Borsig eröffnete am 22. Juli 1837 seine
"August Borsig, Eisengießerei und Maschinenfabrik" am
Oranienburger Tor. Nach anfänglichen Gießereiaufträgen
fertigte er schon bald Dampfmaschinen und bewies seine technischen
Fähigkeiten im Hochbau. Sein größter Triumph wurden
seine
Dampflokomotiven, die ihn innerhalb weniger Jahre
zum größten Lokhersteller in Deutschland aufsteigen ließen. Die weniger
lukrativen königlichen Bauaufträge wie das Pumpwerk für
die
Fontänen von Sanssoucis übernahm
August Borsig dagegen eher aus Prestigegründen. Eine ständige ökonomische
Belastung blieb die Versorgung mit Eisen, Schmiedestahl und
Steinkohle, die teuer eingekauft wurden und lange Transportwege
erforderten. August Borsig befreite sich von diesen Abhängigkeiten,
indem er ein eigenes Eisenwerk in Moabit bei Berlin errichtete, wo er
seinen eigenen Stahl veredeln konnte. Seine Produktionskapazitäten
erweiterte er durch den Ankauf der Maschinenbauanstalt der
"Preußischen Seehandlungs-Sozietät" und für
die Kohleversorgung erwarb er von dem Grafen Ballestrem die
Schürfrechte für Kohlefelder bei Biskupitz, Oberschlesien.
Die Vollendung seiner Ideen blieb ihm aber verwehrt, da er am 6. Juli
1854, nur wenige Wochen nach dem Fest zur Fertigstellung der 500.
Lokomotive, einem Schlaganfall erlag. Seine Beisetzung erfolgte unter
großer öffentlicher Anteilnahme im
Borsig´schen Erbbegräbnis
auf dem Dorotheestädtischen Friedhof in Berlin. August Borsig hatte in nur 17
Jahren als Unternehmer Preußens mächtigsten
Industriebetrieb erschaffen, der rund 1.800 Arbeiter beschäftigte.
Seine Leistungen als Ingenieur wurden nicht von einer einzelnen
Erfindung geprägt, vielmehr führte die stetige Neu- und
Weiterentwicklungen zu qualitativ herausragenden Produkten. Unter
seinen zahlreichen Patentschriften findet sich sogar das Konzept der
Heißdampftechnik, die sich erst ein halbes Jahrhundert später
im Lokomotivbau durchsetzen sollte. Hinzu kamen seine Konstruktionen
im Hochbau, die zuvor nicht realisierbare Bauwerke ermöglichten.
Seine Leistungen wurden mit verschiedenen Auszeichnungen gewürdigt:
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1841: Roter Adlerorden IV. Klasse für die erste in Preußen gebaute betriebstaugliche Lok.
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1851: Titel "Kommerzienrat" für die Fertigstellung der Kuppel des Berliner Stadtschlosses.
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1854: Titel "Geheimer Kommerzienrat" anläßlich der Fertigstellung der 500. Borsig-Lok.
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In politischen Fragen war August Borsig zurückhaltend und setzte das Wohl des
Unternehmens zum Primat seines Handelns. 1848 wurde er von der
"Deutschen Revolution" überrascht und mußte
erleben, wie seine Arbeiter zum Kampf auf die Barrikaden zogen. Als
einziger Unternehmer nahm er an beiden Trauerfeiern für die
Märzgefallenen sowohl auf Seiten der Revolution, als auch der
des Militärs teil. Im Gegensatz zur Mehrzahl seiner Zeitgenossen
unterließ er es, mit dem Besuch nur einer Veranstaltung seine
Position zu demonstrieren, sondern zollte dem Verlust von
Menschenleben Respekt. Nach seinem Kalkül hatte die
Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung oberste Priorität
und so wurde er aktives Mitglied der Berliner Bürgerwehr. Als
Major des 17. Bataillons befehligte er 4 Kompanien aus
Maschinenbauern, die als disziplinierte und schlagkräftige
Einheiten allgemeine Anerkennung fanden. Die übrigen
Maschinenbauunternehmer bewegte er, sich seiner Erklärung
anzuschließen und den Arbeiterforderungen nach besseren Löhnen
und Sozialleistungen bei verkürzter Arbeitszeit sowie Regeln zur
Mitbestimmung entgegen zu kommen. Damit brachte er seine Arbeiter
unter Kontrolle und festigte gleichzeitig seinen Stand im
bürgerlichen Lager, was er in der Folgezeit bei der Vergabe von
öffentlichen Aufträgen und Krediten zu nutzen wußte.
Angebote für ein dauerhaftes Engagement in der Politik lehnte er ab.
Der Mensch August Borsig bleibt trotz seines prominenten Auftretens
und seiner großen Wirkung erstaunlich schwer zu greifen. So
ziemlich alle Darstellungen seiner Person sind posthum gefertigt und
daher mehr oder weniger idealisierend ausgeführt. Immerhin
dürfte er aus persönlicher Anschauung den Künstlern
Christian Daniel Rauch (Schöpfer der Büste des Grabmals)
sowie Friedrich Wilhelm Kullrich (Medailleur verschiedener
Gedenkmünzen) bekannt gewesen sein. Werke des Ersteren waren bei
Borsig in Eisen gegossen worden (s.
Löwenbrücke),
Letzterer war mit einer Nichte August Borsigs verheiratet. Alle graphischen
Bildnisse gehen letztendlich wohl auf eine einzige Photographie
zurück, deren Original ihrerseits verschollen ist.
Autographische Zeugnisse beschränken sich weitgehend auf
geschäftliche Unterlagen und technische Dokumente. Persönliche
Briefe oder Tagebücher sind dagegen nicht bekannt, kolportierte
Anekdoten und Aussprüche kaum belegbar. Unstrittig ist jedoch seine
Passion für exotische Pflanzen, zu deren Kultivierung er im Park seines
Borsig´schen Etablissements
in Moabit mehrere Gewächshäuser errichten ließ.
Soweit man den Zeitzeugen folgen mag, beeindruckte August Borsig, der
"Lokomotivenkönig", durch seine große, kräftige
Erscheinung und seinen unbändigen Tatendrang. Als Stärken
wurden seine Entschlußkraft und seine praktische
Herangehensweise bewundert. An theoretischen Überlegungen zeigte
er eher geringes Interesse, sein Konstruktionsbüro bezeichnete
er ironisch als "Malerwerkstatt". Er selbst sah sich wohl
in erster Linie als Schmied und als solcher wurde er auch 1861
posthum auf dem Sockelrelief des Beuth-Denkmals am Schinkelplatz in
Berlin dargestellt. Letztendlich riß das Interesse an August
Borsig nie wirklich ab. So war seine Vita immer wieder Thema
verschiedener Publikationen und auch Ferdinand Schmidt's "Neue
Jugendbibliothek" huldigte ihm in den 1880er Jahren mit einem
Bändchen. Die um 1980 einsetzende neue Betrachtung der
preußischen Geschichte ließ u.a. mit der Ausstellung
"Preußen - Versuch einer Bilanz" auch August Borsig
wieder zum Teil des historischen Diskurses werden. Literarische
Denkmäler in Form biografischer Romane setzten ihm Fritz
Pachtner mit "August Borsig" 1943 sowie Horst Bosetzky
(alias -ky) mit "Der König vom Feuerland" 2011.
Louise Borsig, geb. Praschl (* 1809, † 1887):
Über das Familienleben August Borsigs mit seiner Frau Louise Josephine,
geborene Praschl (1809-1887), ist kaum etwas überliefert. Die
Eheschließung 1828 dürfte auf einer ehrlichen
Herzensangelegenheit beruht haben, da sie als nahezu mittellose
Halbwaise kaum als "gute Partie" gelten konnte. Als
einziges Kind der Verbindung wurde am 7. März 1829 August Julius
Albert Borsig geboren. Bekannt ist Louise Borsigs lebhafte
Anteilnahme am Werk ihres Mannes. So unterstützte sie die
Arbeiter gelegentlich mit einem Imbiß und aufmunternden Worten,
wenn wieder einmal zusätzliche Nachtarbeit erforderlich war. Zur
Zeit der März-Revolution 1848 engagierte sie sich im Berliner
Frauenverein "Zur Abhilfe der Not unter den kleinen Fabrikanten
und Handwerkern", wofür sie mit dem Louisenorden 1. Kl.
ausgezeichnet wurde. Nach dem Ableben ihres Gatten setzte sie ihr
wohltätiges Wirken fort und hielt ihre gesellschaftliche
Stellung mit persönlichen Kontakten u.a. zu Königin Augusta
und Alexander von Humboldt. Louise Borsig verstarb 1887 und überlebte damit auch ihren
Sohn Albert. Sie wurde im
Borsig´schen Erbbegräbnis
auf dem Dorotheestädtischen Friedhof bei ihrem
Ehemann beigesetzt. Aus ihrem Nachlaß bestimmte sie die Summe
von 100.000 Mark für eine zu gründende "Louise
Borsig-Stiftung", die Unterstützung für arbeitsunfähig
gewordene Angehörige des Unternehmens gewähren sollte.