3. Biographien

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3.2 Zweite Generation

Albert Borsig (* 1829, † 1878)
August Julius Albert Borsig wurde am 7. März 1829 als einziges Kind August und Louise Borsigs geboren und durch eine umsichtige Erziehung auf die künftige Führung des Unternehmens vorbereitet. So wurde das Werksgelände in der Chausseestraße für den Jungen zum Spielplatz und während seiner Gymnasialzeit kümmerte sich Oberingenieur Flöringer um seine handwerklich-technische Ausbildung. Er wurde in Mechanik, Mathematik und praktischer Metallverarbeitung geschult, so daß er sein Gesellenstück in Form einer selbst gefertigten Lokomotiv-Dampfpumpe abliefern konnte. Nach einem Dienstjahr bei der Artillerie stieg Albert Borsig als Kompagnon in den väterlichen Betrieb ein und durchlief hier alle Abteilungen von den Ingenieurbüros bis zu den kaufmännischen Kontors. Er wurde in den Aufbau des Moabiter Werkes einbezogen und erprobte seine kaufmännischen Fähigkeiten auf eigenständigen Geschäftsreisen.

Durch das frühe Ableben seines Vaters 1854 wurde Albert Borsig im Alter von nur 25 Jahren zum Eigner und Direktor des florierenden Familienunternehmens. Zunächst bildete der Aufbau des Borsigwerkes in Oberschlesien den Schwerpunkt seiner Tätigkeit. Es folgte eine erhebliche Steigerung der Produktionskapazitäten an den Berliner Standorten sowie der Aufbau des internationalen Exportgeschäfts, was 1858 mit dem Fest zur Fertigstellung der 1.000sten Lok groß gefeiert wurde. Mit der erfolgreichen Weiterentwicklung des väterlichen Erbes gelang es ihm, sein Unternehmen zu Beginn der 1870er Jahre zu bisher nicht gekannter Größe zu führen. Als er am 10. April 1878 unerwartet an Herzversagen starb, litt der Betrieb allerdings wie alle anderen an den Folgen der Gründerkrise. Neben seinem eigenen Unternehmen engagierte Albert Borsig sich sozial als Stadtverordneter in Berlin und beteiligte sich an weiteren wirtschaftlichen Vorhaben. So zählte er 1872 zu den Gründern der "Maschinenfabrik Deutschland" (MFD) in Dortmund sowie der Berliner Firma "Baugesellschaft für Eisenbahn-Unternehmungen, F. Pleßner & Comp".

Albert Borsig nutze bei der Entwicklung seines Unternehmens bewußt den Gründermythos um seinen Vater und setzte auf die Wirkung repräsentativer Bauten. So erhielt das Werk an der Chausseestraße ein neues Verwaltungsgebäude sowie die ikonische Arkadenhalle, beide nach Plänen des schon von August Borsig geschätzten Architekten Johann Heinrich Strack. Die Bauten am Familiensitz in Moabit wurden u.a. mit einer Loggia und dem Bilderzyklus "Lebensgeschichte einer Lokomotive" des Malers Paul Meyerheim erweitert. Schließlich ließ er das "Palais Borsig" im Zentrum Berlins errichten. Albert Borsigs persönliche Vorlieben waren dagegen wohl deutlich leiser. Er teilte die väterliche Leidenschaft für die Botanik und erweiterte die Gewächshäuser im Park des Borsig´schen Etablissements. Er erwarb u.a. eine kostspielige Orchideensammlung aus Großbritannien, für die er ein eigenes Gebäude errichten ließ. Schließlich fand er im Gut Behnitz ein Anwesen, auf dem er mit seiner Familie die ländliche Zurückgezogenheit genießen konnte. Hier ließ er sich von dem Maler Paul Meyerheim für dessen Gemäldezyklus porträtieren, wo er sich im Kreis seiner Familie anläßlich eines Erntefestes mit der Landbevölkerung zeigt. Seine letzte Ruhe fand Albert Borsig im neuen Borsig´sches Erbbegräbnis Groß Behnitz auf dem Friedhof der Dorfkirche Groß Behnitz. Er hinterließ seine Witwe Anna Borsig, geb. Guticke sowie seine Kinder Margarethe, Arnold, Ernst, Hedwig und Conrad, 3 weitere Kinder verstarben vor bzw. einige Monate nach ihrer Geburt. Albert Borsig wurden wie seinem Vater zuvor zahlreiche Ehrungen zu Teil:

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1862: Roter Adlerorden I. Klasse zum 25. Jubiläum des Unternehmens.
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1867: Verleihung des Titels "Ritter der Ehrenlegion" anläßlich der Weltausstellung in Paris.
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1869: Titel "Geheimer Kommerzienrat" für seine Verdienste um das Gemeinwohl.
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Benennung des "Borsigplatzes" in Dortmund, der als Gründungsort des "Ballspielvereins Borussia 09" (BVB) auch heute noch in der Fußballwelt kulthafte Verehrung erfährt.
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Benennung der 1848 aus Mexiko in Europa eingeführte Kletterpflanze "Köstliches Fensterblatt" (Monstera borsigiana, auch Monstera deliciosa var. borsigiana).


3.3 Dritte Generation

Gebrüder Borsig:
Nach dem Willen Albert Borsigs übernahmen seine Söhne Arnold, Ernst und Conrad mit der Volljährigkeit des Jüngsten am 23. April 1894 die Leitung des Borsig´schen Unternehmens, das Erbe der beiden Töchter wurden dagegen ausbezahlt. Während Arnold Borsig bereits früh tödlich verunfallte, modernisierten Ernst und Conrad Borsig das Unternehmen mit dem neuen Borsigwerk Tegel, wobei sie die bisherige patriarchale Führungstruktur schrittweise durch ein modernes Management ersetzten. Nach seiner Blütezeit in den ersten beiden Jahrzehnte des 20. Jhdts. wurde das Familienunternehmen in den 1920er Jahren von Inflation und Weltwirtschaftskrise schwer belastet. Ernst und Conrad Borsig stemmten sich mit aller Macht gegen den Niedergang, veräußerten Firmenteile und setzten selbst ihr Privatvermögen als Kreditsicherheit ein. Schließlich mußten aber Ende 1931 alle Zahlungen eingestellt werden und die Familie Borsig schied aus dem Unternehmen aus. Die beiden Brüder Ernst und Conrad erfuhren zeitgleich diverse Ehrungen:

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1902 Titel "Königlicher Kommerzienrat"
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1909 Erhebung in den erblicher Adelstand durch Kaiser Wilhelm II
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1912 Titel "Königlicher Geheimer Kommerzienrat"
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Beide Brüder erhielten akademische Ehren von verschiedenen Hochschulen in Form des Titels Dr.-Ing. h.c.

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Arnold Borsig (* 1867, † 1897):
Arnold August Paul Borsig studierte in Bonn, Berlin und Freiberg das Berg- und Hüttenwesen und absolvierte Praktika in verschiedenen Gruben. 1893 verlegte er seinen Wohnsitz zum Borsigwerk nach Oberschlesien, um den Betrieb aus erster Hand kennen zu lernen. Er widmete sich mit großer Tatkraft der Modernisierung des Betriebes und konnte dessen Produktivität erheblich steigern. Am 1. April 1897 verunglückte er tödlich, als er Gasanalysen nach einem Schlagwetter in der Hedwigswunsch Grube durchführte und sich eine weitere Explosion ereignete. Arnold Borsig blieb unverheiratet und hinterließ keine Nachfahren, er wurde im Borsig´schen Erbbegräbnis in Groß Behnitz bei seinem Vater beigesetzt.


Ernst von Borsig (* 1869, † 1933):
Ernst August Paul Borsig studierte nach einer technischen Ausbildung im eigenen Betrieb an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität und der Technischen Hochschule Charlottenburg. 1894 übernahm er zusammen mit seinen Brüdern die Leitung des gesamten Familienbesitzes und führte das Unternehmen durch seine Glanzzeit bis zum Ende 1931. Nach dessen Insolvenz zog er sich auf sein Gut Groß Behnitz zurück, wo er 1933 an Herzversagen starb und in der Gruft des dortigen Familiengrabes beigesetzt wurde. Er hinterließ seine Witwe Margarete von Borsig, geb. Gründler sowie seine Kinder Karl Albert Arnold, Margret, Annelise und Ernst jun. Er ließ auch 1911-13 die Villa Borsig in Tegel als Sitz seiner Familie errrichten.

Im Zuge der Umwälzungen nach dem Ersten Weltkrieg engagierte sich Ernst von Borsig sozialpolitisch als Vertreter des Unternehmertums. Er war 1918 an der Aushandlung des "Stinnes-Legien Abkommens" (auch "Novemberabkommen") beteiligt, mit dem das Verhältnis von Gewerkschaften und Arbeitgebern neu definiert wurde. Als Vorsitzender der "Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände" und als Vorstandsmitglied weiterer Arbeitgeberverbände war er eine gewichtige Stimme in den sozialpolitischen Debatten der 1920er Jahre. Dabei blieb er in der patriarchalischen Tradition seiner Vorfahren verhaftet, nach der er Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einer "sozialen Partnerschaft" verbunden sah. 1927 legte er seine Sicht in einer umstrittenen Rede vor der "Gesellschaft der Berliner Freunde der Deutschen Akademie" dar. Demnach sollten beide Seiten ihre gegenseitigen Verpflichtungen frei von staatlichen oder gewerkschaflichen Eingriffen verhandeln können. Die Höhe der Unternehmerleistungen sollte an die Konjunktur gekoppelt und soziale Unterstützung nur leistungswilligen Mitarbeitern gewährt werden.

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Politisch stand Ernst von Borsig im national-konservativen Lager und unterstützte die Parteien DNVP und DVP. Zeitgenössische Stimmen aus dem linken Spektrum wie der sozialdemokratische "Vorwärts" behaupteten, er hätte auch die NSDAP finanziell gefördert. In der Geschichtsschreibung nach 1945 wurde dieser Vorwurf durch die Historiker Golo Mann und Henry A. Turner aufgegriffen, allerdings ohne hierzu einen belastbaren Beleg anzuführen. Ernst von Borsig selbst positionierte sich 1927 in einem offenen Brief an das "Berliner Tageblatt". Demnach war er Adolf Hitler Anfang der 1920er Jahre zweimal persönlich begegnet, er bestritt aber nachdrücklich jedwede Unterstützung oder finanzielle Förderung für dessen Partei. Tatsächlich kursiert der Vorwurf seiner NSDAP-Nähe weiter in der aktuellen Literatur wie Wikipedia, obwohl nach wie vor kein verläßlicher Beleg bekannt wurde. Angeblich belastende Quellen wurden dagegen widerlegt (Harmsen 2017).


Conrad von Borsig (* 1873, † 1945):
Conrad von Borsig absolvierte eine kaufmännische Ausbildung mit Schwerpunkten im Bank- und Exportgeschäft und sammelte international Erfahrungen bei Aufenthalten in London und Moskau. 1894 übernahm er zusammen mit seinen Brüdern die Leitung des gesamten Familienbesitzes und führte das Unternehmen als Kaufmännischer Leiter durch seine Glanzzeit bis zum Ende 1931. Im Nachfolgeunternehmen Rheinmetall-Borsig wurde Conrad von Borsig stellvertretender Vorsitzender und auch in der neuen Borsig-Lokomotiv-Werke GmbH behielt er Anteile. Ab 1933 lebte er zurückgezogen auf seinem Gut Prillwitz in Pommern, wo er seiner Leidenschaft als Dendrologe nachging. Bei Kriegsende wurde er hier vor seinem Haus von sowjetischen Soldaten erschossen und im Garten seines Gutes beigesetzt. Er hinterließ seine Witwe Margot von Borsig, geb. von Koerner sowie seine Kinder Albert, Gudrun, Konrad und Günter.

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