4. Borsig Standorte und Anwesen

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4.2 Borsig´sche Anwesen

Borsig´sches Etablissement, Moabit:
Als August Borsig 1842 die ersten Grundstücke für sein Eisenwerk in Moabit erwarb, sah er den Großteil der Fläche an der Stromstraße zwischen der heutigen Straße Alt Moabit und dem Spreeufer für die Errichtung eines Familiensitzes mit Parkanlage vor. Der Baubeginn ist nicht überliefert, nur daß August Borsig sich an technischen Fragen beteiligte und für sein Haus u.a. eine moderne Warmluftheizung aus eigener Fertigung konstruierte. Ein erster Beleg für ein Wohnhaus mit angeschlossenem Treibhaus findet sich auf einer Planzeichnung von 1845. Das Erscheinungsbild der Gebäude ist dagegen nicht überliefert, es entsprach wohl dem späteren Bild eines Landsitzes im italienischen Stil. Alle weiteren Um- und Anbaumaßnahmen wurden von Borsigs Hausarchitekten Johann Heinrich Strack ausgeführt, die Parkanlage mit Fontäne wurde vom General-Gartendirektor der königlich-preußischen Gärten Peter Joseph Lenné gestaltet. Das Anwesen wurde mehrfach erweitert u.a. mit einem Festsaal, einer Gartenterrasse und mehreren Gewächshäusern für August Borsigs Sammlung exotischer Pflanzen. Den Höhepunkt bildete ein rundes Treibhaus aus Eisen und Glas, das mit Kühlwasser des benachbarten Eisenwerkes beheizt wurde. Hier gelang es am 19. Juli 1852 die Riesenseerose Victoria amazonica erstmalig in Preußen zur Blüte zu bringen und damit unter großem Presseecho dem "Kgl. Botanischen Garten" um 3 Tage zuvor zu kommen. im Übrigen öffnete August Borsig seine Gärten an regelmäßigen Tagen dem Publikum und stiftete die Eintrittsgelder der Unterstützungskasse seiner Mitarbeiter. So sah sich auch sein Freund Alexander v. Humboldt veranlaßt, König Friedrich Wilhelm IV auf die Vorzüge des "Borsig´schen Etablissements" hinzuweisen mit den Worten: "...in der Schüchternheit meiner Waldnatur vom Orinoko habe ich gestern im Schlosse und in der Oper mich Ew. Majestät nicht zu nähern gewagt und trage deshalb jetzt, schriftlich, die alleruntertänigste Bitte vor: ob ihre Majestät, unsere herrliche Königin, nicht mit der Kaiserin von Charlottenburg aus in einer Spazierfahrt das so zierliche Treibhaus und die Anlagen von Borsig in Moabit ... besuchen wollten? Der vortreffliche Besitzer verdiente wohl dieses Glück...". Seine Majestät nahm die Anregung zur Freizeitgestaltung gnädigst auf und bekomplimentierte den Hausherrn mit einem jovialen "So wie Sie möchte ich auch wohnen, lieber Borsig!" (beide Zitate aus: Vorsteher, 1983).

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Nach August Borsigs Ableben wurde das Anwesen von Sohn Albert Borsig bewohnt, der verschiedene Umbauten vornahm und die Treibhäuser erweiterte. Die Gärten schmückte er 1869 mit einer Marmor verkleideten Loggia, in der der sechsteilige Bilderzyklus "Lebensgeschichte einer Lokomotive" des Malers Paul Friedrich Meyerheim gezeigt wurde. Eine weitere Tafel zeigte Albert Borsig im Kreis seiner Familie anläßlich eines Erntefestes mit der Landbevölkerung in Groß Behnitz. Die Gemälde in Öl auf 3,15 x 2,30 m großen Kupferplatten galten noch 1912 auf der "Großen Berliner Kunstausstellung" als Sensation und blieben in verschiedenen Museen erhalten.

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Das Bild "Bauernherbst auf Gut Borsig in Groß-Behnitz" ist im Nationalmuseum Stettin ausgestellt und online verfügbar.


Das Borsig´sche Anwesen wurde 1911 aufgegeben und an die "Union Baugesellschaft AG" veräußert, die alle Gebäude abreißen ließ. Lediglich die Loggia wurde im Tiergarten wieder aufgebaut und 1954 in Folge von Kriegsschäden endgültig abgetragen. Bei der Neubebauung des moabiter Geländes mit Wohnhäusern verblieb eine Restfläche von 6.000 m² als Grünfläche, von der rund 4.000 m² als "Essener Park" noch heute öffentlich zugänglich sind. Der unbeschilderte Eingang ist über den Hof des Hauses Stromstraße 67 erreichbar, nichts erinnert an die Vergangenheit des Geländes.

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Zugang zum Essener Park: Stromstraße 67 (Toreinfahrt), 10555 Berlin; GPS: 52°31′29.42″N 13°20′32.54″E


Palais Borsig, Berlin
Im wirtschaftlichen Höhenrausch der Gründerjahre entschloß sich Albert Borsig zum Bau eines neuen Wohnsitzes und wählte für sein "Palais Borsig" mit der Voßstraße 1 Ecke Wilhelmstraße 79 eine der seinerzeit prestigeträchtigsten Adressen in Berlin. Als Architekt wurde Richard Lucae gewonnen, der 1875-77 ein zweigeschossiges Gebäude im italienischen Neorenaissancestil errichtete. Zu Albert Borsigs großem Ärger baute sein Nachbar Fürst v. Pleß zeitgleich in der Voßstraße 2 ein Palais im französischen Stil und platzierte seine Pferdeställe direkt unter den Fenstern von Borsigs Festsaal. Albert Borsig verzichtete daraufhin auf den Innenausbau seines Palais, das über Jahrzehnte leer stand und erst 1904 von der "Preußischen Pfandbriefbank" erworben wurde. 1934 wurde das Gebäude vom Deutschen Reich als "Vizekanzlei" gekauft und kurz darauf im Zuge der Röhm-Affäre durch ein SS-Kommando erstürmt. Bei der Errichtung der Neuen Reichskanzlei 1938-39 durch Albert Speer wurde das Palais-Borsig in den Neubau integriert und 1949 nach heftigen Kriegsschäden abgerissen.

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ehem. Standort: Voßstr. 1, 10117 Berlin; GPS: 52°30'42.2"N 13°22'57.6"E


Villa Borsig, Tegel:
Conrad und Ernst Borsig erwarben 1898 ein Ufergrundstück am Tegeler See inkl. der Halbinsel "Reiherwerder" mit einem Gesamtareal von 12,37 ha. Während Conrad sich aus dem Vorhaben zurückzog, ließ Ernst hier zunächst ein Landhaus ("Kleine Villa") errichten, das er 1908 bezog. Es folgten ein Pförtnerhaus sowie verschiedene Wirtschaftsgebäude und 1911-13 schließlich der Bau der "Villa Borsig" im neobarocken Stil durch die Architektenassozietät Salinger & Schmohl. In Anlehnung an das Schloß Sanssoucis bestand der Bau aus einem Mittelteil und zwei Seitenflügeln, die jeweils in einer geschwungenen Kolonnade und einem abschließenden Pavillon ausliefen. Das Anwesen wurde von einem weitläufigen Landschaftspark mit ausgewählter Baumbepflanzung umschlossen und verfügte über einen eigenen Bootssteg. So konnte der Fabrikherr sein Unternehmen im Sommer per Motorboot und im Winter mit dem Automobil bequem erreichen. Nach der Insolvenz 1931 gab Ernst v. Borsig das Anwesen auf und siedelte auf das Gut Groß Behnitz über, die Villa wurde 1937 an das Reichsfinanzministerium verkauft. 1946-51 diente das Haus als Residenz des Oberkommandierenden der französischen Truppen in Deutschland. Das Anwesen wurde ab 1959 von der "Deutschen Stiftung für Internationale Entwicklung" (DSE) als Bildungseinrichtung genutzt und 2000 vom Auswärtigen Amt als "Akademie Auswärtiger Dienst" übernommen. Das Haus wurde vom Architekturbüro Weinand & Sting als Gästehaus des Auswärtigen Amts denkmalgerecht ausgebaut und bietet Speisesäle, Konferenzräume, Gästezimmer sowie eine Ministerwohnung. Von der original Einrichtung sind u.a. einige Wandtäfelungen, eine Kassettendecke, die herrschaftlichen Badezimmer sowie das Treppenhaus erhalten. Das Objekt ist an Sonderterminen öffentlich zugänglich.

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Standort: Reiherwerder 1, 13505 Berlin; GPS: 52°35'6.5"N 13°15'33.5"E


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