4. Borsig Standorte und Anwesen

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4.3 Borsig´sche Landsitze

Landgut Groß Behnitz:
Albert Borsig erwarb 1866 das Landgut und das Schloß des Grafen Itzenplitz in Groß Behnitz bei Nauen im Havelland für 450.000 Taler. Das Anwesen sollte nicht nur als Sommersitz der Familie dienen, sondern wurde auch als landwirtschaftlicher Betrieb ausgebaut. Das Herrenhaus wurde modernisiert und das Gut mit neuen Wirtschaftsgebäuden erweitert. An der Dorfstraße entstand eine repräsentative Toreinfahrt, die mit den "Trophäen" von dem zeitgleich abgerissenen Oranienburger Tor in Berlin dekoriert wurde. Schließlich erhielt Groß Behnitz einen Bahnhof (Strecke Berlin-Hannover), für dessen Anlage Albert Borsig 10.000 Taler sowie 15.5 ha Land stiftete. Höhepunkte des gesellschaftlichen Lebens auf dem Anwesen waren die Erntedankfeste, zu denen die Bewohner der zugehörigen Gutsgemeinden geladen wurden. Nach feierlichen Ansprachen gab es ein Hoffest mit Spielen für Groß und Klein, gefolgt von einem abendlichen Ball. Die Begrüßung der Festgäste durch Albert Borsig im Kreis seiner Familie verewigte Paul Friedrich Meyerheim auf einem seiner Großgemälde für die Loggia im Garten des Borsig´schen Etablissement in Moabit. Nach Albert Borsigs Tod nutzte die Familie das Gut als Sommersitz und Jagdrevier. Seine Witwe Anna siedelte 1906 hierher über und bewohnte das Gut bis zu ihrem Tod 1919. Ab den 1920er Jahren wurde das Anwesen allein von Ernst v. Borsig genutzt, der sich hier nach der Insolvenz 1931 nieder ließ und 2 Jahre später verstarb. Sein Sohn Ernst v. Borsig jun. (1906–1945) übernahm die Leitung des Gutes und steigerte dessen Produktivität auf zuvor unerreichte Werte.

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Über die gesamte Zeit des Borsig´schen Familienbesitzes wurde das Gut landwirtschaftlich Musterbetrieb geführt und belieferte die Kantinen der Borsig Werke in Berlin-Tegel mit frischer Ware. Eine eigene Brennerei erzeugte Industriealkohol, der u.a. als Kraftstoff für Motoren Verwendung fand. Grundsätzlich wurden die fortschrittlichsten Produktionsformen angewendet und modernste Maschinen eingesetzt. Eine Dampfmaschine trieb verschiedene Maschinen an, um 1900 wurden Dampfpflüge aus eigener Produktion eingeführt, ab 1913 erlaubte die Verfügbarkeit von Elektrizität die Kühlung von Frischwaren und in den 1930er Jahren wurden die Felder mit Beregnungsanlagen bewässert. Der Höhepunkt der Produktivität wurde 1935 erreicht, als rund 5.000 ha landwirtschaftliche Fläche und 6.000 ha Wald bewirtschaftet wurden.

Nachdem die Familie Borsig im Zuge der Bodenreform 1945 weitgehend enteignet worden war, verließ sie das Anwesen. Das Schloß wurde nach einem Brand 1947 abgetragen, das Gut wurde ab 1952 von der LPG "Bundschuh" bewirtschaftet und verfiel nach der Wiedervereinigung 1990 unter Treuhandverwaltung. Erst im Jahr 2000 wurde der größte Teil des Anwesens von dem Investor Michael Stober ersteigert, der hier ein zertifiziertes Bio-Tagungshotel unter den Prämissen ökologischer Nachhaltigkeit und der Verwendung regionaler Produkte aufbaute. Die vorhandene Bausubstanz aus Logierhaus, Gutsverwaltung, Brennerei und Kornspeicher wurde einfühlsam renoviert und durch Neubauten ergänzt, die sich in ihren Abmessungen und ihrer Gestaltung nahtlos in das Ensemble einfügen. Da sich Manfred v. Borsig gegen die Verwendung des Familiennamens gerichtlich wehrte, firmiert das zunächst als "Landgut A. Borsig" bezeichnete Unternehmen seit 2015 als "Landgut Stober". Das Anwesen ist frei zugänglich und im liebevoll eingerichteten Restaurant "Seeterrassen" vermittelt eine umfangreiche Dokumentation die Geschichte des Landguts sowie der Familie Borsig.

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Landgut Stober, Behnitzer Dorfstraße 27-31, 14641 Nauen OT Groß Behnitz; GPS: 52°34′54.0″N 12°44′3.3″E



Box: Ernst v. Borsig jun. und der Kreisauer Kreis

Als Ernst v. Borsig jun. (1906-1945) die Leitung des Borsig´schen Landgutes 1933 übernahm, war er als studierter Land- und Volkswirt bestens auf seine Aufgaben vorbereitet. Der zeitgleichen Machtübernahme durch die Nationalsozialisten stand er zunächst offen gegenüber und begrüßte die Maßnahmen zum Abbau der Arbeitslosigkeit. So nutzte er den "Reichsarbeitsdient" zur Urbarmachung zusätzlicher Flächen in Groß Behnitz. Die Verkündung der "Nürnberger Gesetzte" 1935 führten bei ihm aber zu einem Umdenken, da er die antisemitische und rassistische Ideologie ablehnte. Vielmehr hielt er Verbindung mit dem konservativen Widerstand des "Kreisauer Kreises" um Helmuth James Graf von Moltke und Peter Graf Yorck v. Wartenberg. 1942-43 wurde das Landgut Borsig mehrfach für konspirative Treffen genutzt, die als "agrarpolitisches Weekend" oder als private Besuche getarnt waren. Im Gegensatz zu den meisten Verschwörern überstand Ernst v. Borsig jun. die Verfolgungen nach dem mißglückten Hitlerattentat vom 20. Juli 1944 unbeschadet, da er nicht verraten wurde. 1945 wurde er aber von der Roten Armee verhaftet und verstarb im Internierungslager Landsberg/Warthe an Entkräftung durch die Ruhr.



Gut Prillwitz:
Conrad v. Borsig erwarb 1922/24 das Gut Prillwitz (heute Przelewice) in Pommern mit einem schloßartigen Herrenhaus und einem großzügigen Park. Hierher zog er sich nach dem Konkurs des Familienunternehmens 1931 zurück und wandelte den Park bis 1938 in einen forstbotanischen Garten mit einer dendrologischen Sammlung auf rund 20 ha um. Bei Kriegsende wurde er hier vor seinem Haus von sowjetischen Soldaten erschossen und im Garten seines Anwesens beigesetzt. Nach 1945 verwahrloste die Anlage unter staatlicher Bewirtschaftung, bis sie 1993 von der Gemeinde übernommen wurde. Das Arboretum wurde zur Keimzelle des heutigen "Dendrologischen Gartens in Przelewice", der auf einer Gesamtfläche von 45 ha über 1.200 Baum-, Strauch- und Kräutergattungen beherbergt. Das Herrenhaus wurde mit EU-Mitteln restauriert und dient heute als Bildungszentrum, Café und Hotel.

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Dendrologischer Garten in Przelewice; GPS: 53°6′21,9″N 15°4′46,9″E


4.4 Borsig´sche Erbbegräbnisse

Borsig´sches Familiengrab auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof, Berlin:
August Borsig bestimmte den Dorotheenstädtischen Friedhof in der Chausseestraße gegenüber seinem ersten Firmensitz für sein Erbbegräbnis, wo er 1854 unter großer öffentlicher Anteilnahme beigesetzt wurde. Unter den Trauergästen fanden sich zahlreiche hochrangige Vertreter aus Gesellschaft und Politik. Sein Leichenzug von Moabit zum Dorotheenstädtischen Friedhof erreichte mit 10.000 Teilnehmern und 100.000 Schaulustigen gigantische Ausmaße, da sich den Trauergästen und Borsianern auch die Arbeiter der anderen Berliner Maschinenbauanstalten anschlossen. 1857 wurde am ein Grab würdiges Monument errichtet, das Borsigs Hausarchitekt Johann Heinrich Strack gestaltet hatte. Es handelte sich um einen Tempelbau mit quadratischem Grundriß auf einem zweistufigen Podest, umschlossen von einem niedrigen Gitter aus Gußeisen. 4 kannelierte dorische Säulen aus schlesischem Marmor trugen das Dach, mittig erhob sich ein Sockel aus rotem Granit mit einer von Christian Daniel Rauch gefertigten Büste des Verstorbenen. Der Baldachin über dem Portrait war in Dunkelblau mit goldenen Sternen ausgemalt - eine Reminiszenz an das 1816 von Karl Friedrich Schinkel gestaltete Bühnenbild "Sternenhalle der Königin der Nacht" für Mozarts "Die Zauberflöte". Auch die Witwe Louise Borsig wurde hier 1887 beigesetzt und das Grabmal um ein Reliefmedaillon mit ihrem Portrait ergänzt. Dieses wurde von 2 Genien flankiert, wobei die links stehende Knabenfigur den gemeinsamen Sohn Albert Borsig darstellte. Die Skulptur wurde in jüngerer Zeit entwendet und 2015 (?) durch ein Replikat ersetzt.

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Standort Grabmahl GPS: 52°31'38.7"N 13°23'2.8"E, Zugang Dorotheenstädtischer Friedhof: Chausseestr. 126, 10115 Berlin



Box: Dorotheenstädtischer Friedhof, Berlin

Der Dorotheenstädtische Friedhof an der Chausseestraße in Berlin-Mitte ist als letzte Ruhestätte zahlreicher prominenter Persönlichkeiten aus Kunst und Politik bekannt. Darüber hinaus sind hier die Gräber weiterer Persönlichkeiten mit gesellschaftlicher bzw. historischer Relevanz zu finden wie August Borsig und einige seiner zeitgenössischen Wegbegleiter: Christian Peter Wilhelm Beuth (* 1781, † 1853) zählte als Gründer des "Königlich Technischen Instituts" in Berlin zu August Borsigs Lehrmeistern und für Bauten von Karl Friedrich Schinkel (* 1781, † 1841) und Friedrich August Stüler (* 1800, † 1865) lieferte Borsig eiserne Tragekonstruktionen. Der Architekt Johann Heinrich Strack (* 1805, † 1880) wurde bevorzugt von Borsig beauftragt und Skulpturen des Bildhauers Christian Daniel Rauch (* 1777, † 1857) wurden bei Borsig gegossen. Schließlich ruhen hier auch die Maschinenbauer Friedrich Wöhlert (* 1797, † 1877) und Louis Schwartzkopff (* 1825, † 1892), die nach ihrer Ausbildung bei Borsig eigene Maschinenbauanstalten gründeten und selbst Lokomotiven bauten.



Borsig´sches Erbbegräbnis Groß Behnitz:
Ernst und Conrad v. Borsig ließen 1922/23 durch den Architekten Eugen Schmohl eine Erbbegräbnisanlage für ihre Familie an der Dorfkirche in Groß Behnitz errichten. Dabei erfuhr auch der Kirchenbau umfassende Veränderungen und erhielt als Spende der Familie Borsig 2 Glocken aus Stahl. Die Grablege bestand aus einer Leichenhalle mit kreisförmigen Grundriß über der Gruft, das gesamte Areal grenzte direkt an die Kirche und war rechteckig mit einer Mauer eingefaßt. Im Freibereich der Anlage fanden Albert Borsig, sein Sohn Arnold sowie 3 weitere Familienmitglieder ihre letzte Ruhe unter schlichten Grabplatten. Allein Ernst v. Borsig wurde in der Gruft beigesetzt und 1997 an einen anderen Ort umgebettet, nachdem Unbekannte eingedrungen waren und den Sarkophag beschädigt hatten. Die Grablege wurde 2003 umfassend restauriert, verfiel daraufhin aber in Folge eines Sturmschadens und mangelhafter Bauausführung. Eine weitere Instandsetzung 2019 rettete schließlich das Ensemble.

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Standort: Behnitzer Dorfstr.44, 14641 Nauen; GPS: 52°34′48.2″N 12°44′2.4″E



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