Wehrmachtszüge in Dänemark
Die Deutsche Wehrmacht begann am 9. April 1940 mit dem "Unternehmen Weserübung" die
Besetzung Dänemarks und Norwegens. Zu Beginn der Operation zählte die funktionsfähige Übernahme
des dänischen Schienennetzes zu den wichtigsten Aufgaben, um Truppen, Waffen und Nachschub
Richtung Norwegen verlegen zu können. So erfolgte die erste Angriffswelle unter Verwendung von
Panzerzügen, um die kritischen Brücken über Storstrøm,
Lillebælt und Limfjord zu sichern. Für
den Fall von Schäden durch Kampfhandlungen oder Sabotage standen mobile Bautrupps bereit.
Schon wenige Stunden nach dem Angriff rollten die ersten Sonderzüge für die Norwegeninvasion
Richtung Frederikshavn. In Dänemark übernahm die Deutsche Wehrmacht umgehend die Kontrolle
über den Bahnverkehr. Dabei behielt die DSB ihre operative Eigenständigkeit mit der Auflage,
deutschen Militärtransporten absoluten Vorrang zu gewähren. Die Verbindungsoffiziere der
deutschen Transportkommandantur bezogen ständige Büros in der DSB-Zentrale in Kopenhagen
und bald darauf auch eine Außenstelle in Århus. Im Verlauf des Krieges wuchs auf deutscher
Seite die Sorge vor einer alliierten Invasion Dänemarks und damit die Zweifel an der
Verläßlichkeit der dänischen Eisenbahner. Daher wurde hier ab Ende 1944 zunehmend deutsches
Bahnpersonal mit bis zu 1.800 Mann zur Sicherung des Betriebsablaufs stationiert. Die deutschen
Militärtransporte dienten folgenden Versorgungsleistungen:
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Für die Besatzungstruppen in Norwegen
war Dänemark als Transitland die entscheidende Versorgungsroute, wobei die
Etappe über das Skagerrak von den Häfen Frederikshavn und Hirtshals sowie dem
Flugplatz Aalborg aus erfolgte. Bald gestattete auch Schweden deutsche
Militärtransporte über sein Territorium, die von Helsingør aus übersetzten.
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Dänemark selbst galt als Hinterland,
wo ab 1942 Truppenverbände neu aufgestellt werden konnten und Ausbildungseinheiten
wie die Flugschule in Aalborg stationiert waren.
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Zum Schutz vor alliierten Angriffen
von Seeseite errichtete die Organisation Todt die Befestigungsanlage
"Atlantikwall" unter Einbeziehung der dänischen Nordseeküste. Die
hiesigen Bauarbeiten erfolgten 1940-43 und erforderten umfangreiche
Materialtransporte mit bis zu 600 Waggons täglich.
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Obige Transporte liefen zu über 80 % auf jütländischen Strecken. Die deutschen
Materialtransporte erreichten Dänemark im Form von "Einheitszügen", die
in Dänemark als "særlige transporter" (Sondertransporte) bezeichnet
wurden und vorrangig an ihren Zielort geleitet wurden ohne unterwegs geteilt zu
werden. Einheitszüge zählten 110 Achsen bei 800 t Gewicht und erreichten eine
durchschnittliche Geschwindigkeit von 55 km/h. Die Zugförderung erfolgte mit DRG-Loks
und deutschem Personal, das in Dänemark durch einen streckenkundigen Lotsen
ergänzt wurde. Üblicher Weise war ein Zug mit einer zweiten Mannschaft besetzt,
die ihren Aufenthalt in einem hinter der Lok eingestellten Personenwagen hatte. Gegenüber
ihren deutschen Kollegen verhielten sich die dänischen Eisenbahner professionell, aber
distanziert. Tatsächlich bemitleidete man gelegentlich die Reichsbahner für
ihre kriegsbedingt miserablen Arbeitsverhältnisse. Weitere Transporte erfolgten mit Einzelwagen, die in
DSB-Planzügen liefen. Die Transportleistungen für die Wehrmacht erreichten einen erheblichen
Umfang mit zeitweilig bis zu 1.000 Einheitszügen und 10.000 Einzelwagen pro Monat.
Für reisende Wehrmachtsangehörige gab es die "Schnellzüge für Fronturlauber" (SF-Züge),
die in Dänemark als "frontorlovsog" bzw "tyske orlovstog" (Frontkriegszüge bzw.
Deutsche Kriegszüge) bezeichnet wurden. Die Züge verkehrten planmäßig und waren vorrangig vor dänischen
Zügen abzufertigen, sie wurden wiederholt das Ziel von Sabotageaktionen des dänischen Widerstandes.
Die SF-Züge für in Norwegen stationierten Truppen liefen HH Altona-Flensburg-Fredericia-Kopenhagen-Helsingør-Oslo
und ggf. weiter bis Narvik. Für die Reise nach Oslo waren 1,5 Tage zu veranschlagen, bis Narvik dauerte es
bis zu 3 Tage Der Rücklauf erfolgte durch Schweden mit der Überfahrt Trelleborg-Sassnitz. Bei den Etappen
über See wurden die Waggons nicht trajektiert und die Reisenden bestiegen am Ziel einen neuen Zug aus
Material der jeweiligen Bahnverwaltung. Dementsprechend wurden die SF-Züge über Seeland aus 2- und
4-achsigen Personenwagen der DSB gebildet. Für die in Jütland stationierten Truppen gab es die Verbindung
Flensburg-Fredericia-Aalborg, die mit deutschem Wagenmaterial und DSB-Loks der Baureihe R gefahren wurde. Wegen
der vergleichsweise guten Versorgungslage war Dänemark bei den Wehrmachtssoldaten
als "Schlagsahnefront" beliebt, wo man vor der Frontfahrt bzw. auf der
Heimreise hamstern konnte.
Neben den regulären Wehrmachtstransporten verkehrten diverse Sonderzüge der Besatzungsmacht.
Hierzu zählten die Reisezüge hochrangiger Persönlichkeiten sowie der
Befehlszug des Kommandeurs der deutschen Truppen
im besetzten Dänemark General Hermann von Hanneken. Ab 1943 wurde Dänemark zunehmend Ziel
von Transporten mit Verwundeten, die hier zum großen Teil in behelfsmäßigen Lazaretten
abgeliefert wurden. 1945 kamen Züge mit deutschen Flüchtlingen aus den Ostgebieten
hinzu, die oft erst nach tagelanger Irrfahrt in Lagern notdürftig untergebracht wurden.
Im dänischen Binnenverkehr stieg ebenfalls die Belastung des Schienennetzes auf Grund
der allgemeinen Treib- und Brennstoffrationierung. Die Folge war eine allgemeine
Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene bei gleichzeitiger Stillegung aller
Triebfahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Neu waren die umfangreichen Transporte der
Ersatzbrennstoffe Torf und Braunkohle, die vorwiegend in Jütland gefördert wurden.
Bereits diese Leistungen erschöpften die Traktionsmittel der DSB und ließen sich nur
durch eine erhebliche Reduktion des Reiseverkehrs erbringen. Allerdings ordnete die
Besatzungsmacht an, daß auch alle innerdänischen Wehrmachtstransporte von der DSB
abzuwickeln waren. Um die hierfür benötigten Kapazitäten zu schaffen, vermietete
die DRG geeignete Loks an die DSB, wobei die Miete mit der erbrachten Kilometerleistung
verrechnet wurde. Außerdem wurden bei Scandia einige Hundert Güterwagen für die DRG inkl.
rund 250
Kesselwagen für die deutsche Kriegsmarine bestellt.
DRG-Loks im grenzüberschreitenden Verkehr
Für den grenzüberschreitenden Verkehr zwischen Deutschland und Dänemark waren nur einige
DRG-Baureihen zugelassen und das auch nur auf ausgewählten Strecken. Hintergrund dieser
Restriktionen waren die vergleichsweise niedrigen zulässigen Achslasten auf den DSB-Gleisen.
Gegen Ende des Krieges wurde das alles aber immer weniger beachtet und es kamen vereinzelt
Schwergewichte wie die Baureihen 17 und 41 über die Grenze. Die beteiligten Maschinen
waren in norddeutschen Bws beheimatet und durften bis zu 48 Stunden in Dänemark verbleiben.
Die während der vorschriftsmäßigen Ruhezeiten der Mannschaften abgestellten Loks wurden
gelegentlich von der DSB kurzfristig für eigene Aufgaben entliehen. Unter den im
Grenzverkehr verwendeten Loks fanden sich auch einige, die nach 1918 als Reparationsleistung
an die Belgischen Staatsbahnen (SNCB) abgegeben worden waren und nun als "Leihlokomotiven"
bei der DRG liefen.
DRG-Mietloks in Dänemark
Die von der DSB angemieteten Loks blieben für mehrere Monate im Land und wurden
administrativ wie dänische Loks behandelt. Um landesweit einsetzbar zu sein bedurfte
es einiger Anpassungen beim Lichtraumprofil, was u.a. die zu hohen Schorsteinaufsätze
betraf. Die Wartung und kleinere Reparaturen wurden in DSB-Werkstätten erledigt, bei
größeren Schäden wurden die Loks zurückgesandt. Die Maschinen wurden
von dänischem Personal gefahren, das zuvor von deutschen Mannschaften geschult und
geprüft worden war. Die höchste Zahl von gleichzeitig in Dänemark stationierten
Mietloks wurde im April 1944 mit 19 Maschinen erreicht. Alle Mietloks wurden vor der
deutschen Kapitulation 1945 auf Reichsgebiet retourniert.
Beteiligte DRG-Loks
Die Dokumentation zu den Einsätzen der DRG-Loks im grenzüberschreitenden Verkehr und
als Mietloks in Dänemark ist nur lückenhaft überliefert. Eine vermutlich nicht ganz
vollständige Gesamtschau der Vorgänge konnte aber aus verschiedenen Quellen
zusammengetragen werden und wurde in den Werken des Autors Steffen Dresler publiziert
(s.u.). Demnach waren folgende DRG-Baureihen für den Dänemarkverkehr zugelassen:
|
In Dänemark verwendete DRG-Lokomotiven: |
| DRG Baureihe |
Bauart |
Anzahl im Grenzverkehr |
Anzahl Mietloks bei der DSB |
| 38.10 |
KPEV P 8 |
154 |
7 |
| 50 / 50 ÜK |
Einheitslok |
201 |
0 |
| 52 |
Kriegslok |
1 |
0 |
| 55.25-56 |
KPEV G 8.1 |
24 |
0 |
| 56.20-29 |
KPEV G 8.2 |
16 |
0 |
| 56.2-8 |
KPEV G 8.1 mit Laufachse |
33 |
5 |
| 57.10-35 |
KPEV G 10 |
128 |
35 |
| 89.70-75 |
KPEV T 3 |
0 |
3 |
| Summe: |
|
556 |
44 |
Eine Auflistung der an die DSB überstellten Mietloks findet sich
hier.
Kapitulation und Verbleib
Mit der deutschen Kapitulation am 5. Mai 1945 wurden alle Wehrmachtsvorgaben hinfällig. Der
grenzüberschreitende Verkehr endete wenige Tage später, die Mietloks waren schon zuvor
auf Reichsgebiet retourniert worden. Alle deutschen Hinterlassenschaften fielen nun in die Zuständigkeit
der nachgerückten britischen Streitkräfte, die als "British Military Mission to Denmark"
(BMMD) hier die "Supreme Headquarters Allied Expeditionary Forces" (SHAEF) vertraten. Bei einer
landesweiten Inventur fanden sich 3 DRG-Loks der Baureihe
38.10, die von
der DSB übernommen und nach Instandsetzung als
DSB T 297-299
eingereiht wurden. Hinzu kam die Schadlok 57 2718, die als Ersatzteilspender verwertet wurde sowie die
Heizlok DSB 53.7510 im Freihafen Kopenhagen. Auf den
ehemaligen Liegenschaften der Wehrmacht wurden einige Diesel-Kleinloks angefunden, deren Bestand allerdings
nicht eindeutig überliefert ist. Gesichert ist die Übernahme von 3 Kleinloks durch die DSB als
Traktor nr. 1,
Traktor nr. 2
und
Traktor nr. 3. Darüber hinaus wurden 95 Personenwagen und
rund 3.000 Güterwagen vorgefunden, die überwiegend an ihre ursprünglichen Bahngesellschaften
zurückerstattet wurden. Lediglich vereinzelt blieben Waggons in Dänemark und fanden bei der
DSB Verwendung als Bahndienstwagen.
Quellen:
Dresler, Steffen (1998): DSB litra N og T. Næstved: Lokomotivet's forlag.
Dresler, Steffen (2018): Det' en tysker! Smørum: bane bøger.
Kræmmer, Lasse (2024): Wir danken für gute Zusammenarbeit. Jernbanehistorie 2024.
Petersen, Carl-Otto (1980): De sorte tog. By Forlaget Hamlet.
(
Dankernes Historie Online).
Tarp Jensen, Ulrik (1995): 1945: På tysk foranledning. Jernbanehistorisk årbog '95: 53-59. Smørum: bane bøger
Thestrup, Poul et al (1997): På sporet 1847-1997: Jernbanerne, DSB og samfundet. 3 Bd. Odense: Jernbanemuseet.
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