Zuckerrüben
Die Zuckerrübe (
Beta vulgaris) ist eine zweijährige Pflanze,
die im ersten Vegetationsjahr eine stark zuckerhaltige Speicherwurzel
bildet, die Rübe. Erst im zweiten Jahr wird ein Blütenstand
und schließlich der Samen hervorgebracht. Die Ernte erfolgt im
ersten Vegetationsjahr, da hier der höchste Zuckergehalt
erreicht wird. Gängige Sorten enthalten 18-20 % Zucker, pro
Hektar wachsen ca. 80.000 Rüben mit einem Gewicht von ca. 50 t,
die rund 8 t Zucker ergeben. Eine frisch geerntete Rübe wiegt
700-1200 g und ergibt ca. 110 g Zucker (das entspricht rund 40
Zuckerwürfeln). Alternativ können Zuckerrüben als
energiereiches und schnellvergärbares Substrat zur Gewinnung von
Ethanol oder zur Erzeugung von Biogas genutzt werden. Alle heute
angebauten Zuckerrübensorten stammen von den Pflanzen ab, die F.
C. Achard ab 1783 in Kaulsdorf bei Berlin züchtete.
Die chemische Bezeichnung von Zucker ist Saccharose. Hierbei handelt es
sich um ein Disaccharid, das aus je einem Molekül D-Glucose und
D-Fructose besteht. Saccharose ist als Produkt der Photosynthese im
Pflanzenreich allgemein verbreitet, läßt sich aber nur aus
Zuckerrohr und Zuckerrüben auf wirtschaftlich lohnende Weise
gewinnen.
Zuckergewinnung
Die industrielle Gewinnung des Zuckers aus Rüben erfolgt in
Zuckerfabriken. Mit einer kurzen Vorstellung der Produktionsprozesse
sollen hier die relevanten Fachbegriffe eingeführt und die
logistischen Rahmenbedingungen erläutert werden.
Rübenernte:
Die Rübenernte wird als "Kampagne" bezeichnet und
erfolgt in den Monaten September bis November. Bei der Ernte wird das
Blattwerk "geköpft", die Rüben werden aus dem
Boden gezogen und eingesammelt. Ursprünglich erfolgten diese
Einzelschritte in Handarbeit, moderne Erntemaschienen erledigen diese
Aufgaben in einem Zug. Längere Lagerzeiten der Zuckerrüben
sind zu vermeiden, da hierbei der Zuckergehalt sinkt. Die
Rübenkampagne erfordert daher ein leistungsfähiges
Transportsystem.
Saftgewinnung:
Nach dem Eintreffen der Rüben in der Fabrik wird zunächst
eine Probe zur Bestimmung des Zuckergehalts der Lieferung entnommen.
Die Rüben werden gewaschen und zu stiftförmigen Schnitzeln
zerteilt. Anschließend wird im Extraktionsturm der Zucker aus
den Rübenschnitzeln mit 70 °C heißem Wasser gelöst,
wobei der "Rohsaft" mit einem Zuckergehalt von 14 % gewonnen wird.
Saftreinigung:
Der Rohsaft wird zur Reinigung mit Kalkmilch, einer wässerigen
Lösung aus gelöschtem Kalk (Calciumhydroxid Ca(OH)
2)
versetzt. Durch Einblasen von Kohlendioxid (CO
2) bildet
sich Kohlensäure (H
2CO
3), die mit dem
Calciumhydroxid als Kalk (Calciumcarbonat CaCO
3) ausfällt.
Bei diesem Prozeß werden zuckerfremde Stoffe mitgerissen und
Metallionen im basischen Milieu als schwerlösliche Hydroxide
ausgefällt. Die Feststoffe werden in Filtersystemen und
Filterpressen abgetrennt, wobei der "Dünnsaft" mit
einem Zuckergehalt von 16 % gewonnen wird.
Safteindickung und Kristallisation:
In einer mehrstufigen Verdampfungsstation wird
dem Dünnsaft Wasser entzogen, wobei der "Dicksaft"
mit ca. 67 % Zuckergehalt entsteht. Dieser wird in der Kochstation
unter Absenkung des Siedepunktes durch Unterdruck weiter eingedickt,
bis sich aus der übersättigten Lösung Zuckerkristalle
abscheiden. Dieser Kristallbrei wird als "Magma"
bezeichnet, aus dem die Zuckerkristalle durch Zentrifugation
abgetrennt werden. Der so gewonnene "Rohzucker" ist noch
durch Fremdstoffe braun gefärbt. Die verbleibende, untersättigte
Zuckerlösung wird als "Melasse" bezeichnet (s.u.).
Raffinierung:
Der Rohzucker wird durch wiederholtes Aufkochen und Zentrifugieren zu
farblosem "Raffinadezucker" gereinigt. Purer Zucker ist
reinweiß, Rückstände verursachen Farbstiche, die zur
Bestimmung des Reinheitsgrades genutzt werden können. Bei der
abschließenden Kristallisierung läßt sich die
Korngröße beeinflussen, so daß für verschiedene
Verwendungszwecke unterschiedliche Handelsformen erzeugt werden
können.
Nutzung der Rückstände aus der Zuckerproduktion
Die Rückstände aus der Zuckerproduktion lassen sich vielfältig weiter verwenden.
Ernterückstände:
Das bei der Ernte abgetrennte Blattwerk der Zuckerrüben wird als
Dünger auf den Feldern untergepflügt oder als Viehfutter
verwendet. Der beim Waschen der Rüben separierte Ackerboden wird
nach dem Absetzen in der Waschanlage aufgenommen und wieder auf die
Felder ausgebracht.
Rübenschnitzel:
Die ausgelaugten Rübenschnitzel werden zunächst gepreßt
und anschließend thermisch auf über 90 % Trockensubstanz
getrocknet. Das Material wird mit Melasse (s.u.) versetzt, zu Pellets
gepreßt und als hochwertiges Viehfutter verkauft.
Kalk:
Der bei der Saftreinigung ausgefallene Kalk mit den ausgewaschenen
Mineralsalzen wird als "Carbokalk" in der Landwirtschaft
zur Regulierung des ph-Wertes und zur Düngung des Ackerbodens
verwendet.
Melasse:
Als Nebenprodukt der Zuckerherstellung bleibt die sirupartige
"Melasse" mit einem Zuckergehalt von ca. 50 % zurück.
Diese findet vielfältige Verwendung als Rohstoff in der
Lebensmittel- und in der pharmazeutischen Industrie. Melasse wird
u.a. als Nährstoff für Fermentationsprozesse z.B. für
die industrielle Alkoholherstellung oder als Zusatz von Futtermitteln
(s.o.) eingesetzt. Bei dem unter den Handelsnamen bekannten
"Zuckerrübensirup" oder "Rübenkraut"
handelt es sich dagegen um direkt aus den Rübenschnitzeln
extrahierten und eingedickten Rübensaft, der als Brotaufstrich,
Backzutat etc. Verwendung findet.
Ver- und Entsorgungsanlagen
Materialtransport:
Neben den genannten Produktionsanlagen, verfügen Zuckerfabriken
über Lade- und Lagereinrichtungen sowie über Klärwerke
für die Abwässer.
Energieerzeugung:
Die Wärmeversorgung der Produktionsprozesse erfolgt mit
Wasserdampf, der über Turbogeneratoren auch Strom zum Antrieb
der vielfältigen Maschinen erzeugt. In früheren Zeiten
kamen hier Dampfmaschinen mit Transmissionsanlagen zum Einsatz. Die
Zuckerfabriken betreiben Dampferzeuger, die mit Kohle, Öl oder
Gas beheizt werden.
Kalkaufbereitung:
Zuckerfabriken verfügen über Kalköfen, in denen Kalk
(Calciumcarbonat CaCO
3) gebrannt wird. Dabei entsteht
gebrannter Kalk (Calciumoxid CaO) und Kohlendioxid (CO
2),
die beide bei der Saftreinigung (s.o.) verwendet werden.
Saatgut
Da die Zuckerrübe erst im zweiten Vegetationsjahr Blüten trägt
und Samen bildet, erfolgt die Gewinnung des Saatgutes durch spezielle
Zuchtbetriebe. Heute wird der Zuckerrübensamen vorwiegend in
Pillenform ausgeliefert, wobei jedes Samenkorn mehrfach beschichtet
ist. Die einzelnen Schichten tragen verschiedene Wirkstoffe wie
Fungizide, Insektizide und Düngemittel. Darüber hinaus
sorgt die Kapselung für eine optimale Wasserzufuhr zum Keimling.
Die fertige Pille ist farblich gekennzeichnet und ermöglicht
durch ihre einheitliche Größe und kugelige Form das
zuverlässige Ausbringen mittels Einzelkornsaatmaschinen.
Arbeitskraft
Der Anbau von Zuckerrüben erfordert einigen Aufwand, da der Boden
u.a. für ein optimales Wurzelwachstum mehrfach gelockert werden
muß. Die erforderlichen Arbeitsgänge ließen sich nur
schwer mechanisieren und so bestand in den ersten Jahrzehten der
Rübenkultivierung ein erheblicher Bedarf an saisonalen
Arbeitskräften. Letztere wurden großen Teils durch
Wanderarbeiter aus dem östlichen Europa gestellt, der Anteil von
Frauen lag bei zwei Dritteln. Die Unterbringung der Arbeiter erfolgte
in kasernenartigen Unterkünften, die oft nur minimalsten
Anforderungen an Hygiene und Komfort genügten. Bis zum Beginn
des ersten Weltkriegs stieg allein in Deutschland die Zahl der
Wanderarbeiter stetig auf deutlich über 300.000 pro Jahr.
Mit dem ersten Weltkrieg kam die Wanderarbeit zum Erliegen: Die
Zuckerproduktion wurde zunächst auf Kriegswirtschaft umgestellt
und nach 1918 neu organisiert. Neue mechanische Gerätschaften
reduzierten den Bedarf an Arbeitskräften zusätzlich. Ab den
1950er Jahren senkte die durchgehende Motorisierung der
Landwirtschaft und verbesserte Anbaumethoden den Bedarf an
menschlicher Arbeitskraft so weit, daß die Kultivierung von
Zuckerrüben nun allein von ortsansässigen Kräften
bewältigt werden konnte.
Dänemarks Zuckerindustrie - Übersicht
Teil 1: Zur Geschichte des Zuckers
Teil 2: Rübenanbau und Zuckergewinnung
Teil 3: Die dänische Zuckerwirtschaft
Teil 4: Die dänischen Rübenbahnen
Teil 5: Die Fahrzeuge der dänischen Rübenbahnen
Teil 6: Standorte Fünen
Teil 7: Standorte Lolland
Teil 8: Standorte Møn und Falster
Teil 9: Standorte Seeland