Nach langwierigen Diskussionen bestellte die DSB 1934 vier Lyntog-Triebzüge, die 1935
ausgeliefert wurden. Die Endwagen erhielten die Baureihenbezeichnung MS, die Mittelwagen wurden
als Reihe AA eingestellt. Bei der folgenden Erprobung zeigten sich keine gravierenden Probleme
und versuchsweise wurde eine Spitzengeschwindigkeit von 162 km/h erreicht. Die offizielle
Präsentation des Lyntogs erfolgte am 15. Mai 1935 mit der Eröffnung der Brücke
über den Kleinen Belt, die als großes, nationales Ereignis gefeiert wurde. In
Gegenwart seiner Majestät König Christian X, unzähligen Ehrengästen sowie
30-40.000 Schaulustigen zerriß der erste Triebwagen das Band über der Brücke und
machte sich auf den Weg nach Kopenhagen. Zahlreiche Vertreter von Presse, Rundfunk und Film
dokumentierten die Feierlichkeiten und ließen mit enthusiastischen Reportagen das
gesamte Land teilhaben.
Die Lyntog-Triebzüge selbst wurden zu einem allgemein bekannten Symbol für Begriffe
wie Fortschritt, Geschwindigkeit und Modernität. Darstellungen der Triebzüge fanden
sich als weit verbreitetes Werbemotiv und tauchten u.a. auf Wahlplakaten und selbst in
Kinderbüchern auf. Diverse Wortschöpfungen mit dem Element "lyn" (Blitz)
haben sich bis heute im dänischen Sprachgebrauch erhalten. Darüber hinaus fanden die
Fahrzeuge internationale Beachtung: Fachjournale wie "Die Lokomotive" aus
Österreich oder die britische "Diesel Railway Traction" (eine Beilage der
"Railway Gazette") berichteten. Auf der Weltausstellung in Brüssel 1935 wurde
ein Modell präsentiert und zur Weltausstellung in Paris 1937 reiste sogar ein originaler
Lyntog an. Der Triebzug erhielt aus diesem Anlaß eine frische Lackierung und wurde an
jeder Stirnseite mit zwei zusätzlichen Scheinwerfern ausgerüstet, um den deutschen
und französischen Reglements bei den Überführungsfahrten zu genügen. Die
Besucher der Ausstellung wurden mit ausgewählten dänischen Spezialitäten und
Spirituosen verwöhnt. Marken wie "Anthon Berg" und "Peter Heering"
dürften hier einen ausgesprochen positiven Eindruck hinterlassen haben. Der gesamte
Aufwand wurde mit einigen "Grand Prix" Medaillien für die DSB und die
Hersteller sowie mit einem Foto auf der Titelseite des "Daily Telegraph" belohnt.
Die ersten drei Lyntog-Verbindungen starteten täglich in Kopenhagen und boten je
eine Hin-/Rückreise: "KRONJYDEN" (Aalborg), "VESTJYDEN" (Esbjerg)
und "ØSTJYDEN" (Århus). Auf Grund der deutlich verkürzten
Reisezeiten und des hohen Prestiges, waren alle Plätze auf Wochen im Voraus ausgebucht.
Die große Nachfrage führte bereits 1936 zur Bestellung von vier weiteren
Triebzügen der Nachfolgebaureihe
MB,
die mit ihren vier Wagen höhere Kapazitäten bot. Diese Fahrzeuge nahmen 1937
den Betrieb auf und erlaubten eine Ausweitung des Lyntog-Angebots
mit zusätzlichen Verbindungen.
Die positiven Erfahrungen mit den Lyntog-Zügen machten nur kleinere technische
Nachbesserungen erforderlich. So wurden Steckdosen für Steuerleitungen nachgerüstet,
um die Züge in Doppeltraktion betreiben zu können. Weiterhin erhielten die Wagen
Verbindungen für das elektrische Bordnetz der Fähren, damit während der
Trajektierung alle Motoren abgeschaltet werden konnten. Lediglich im Winterbetrieb zeigte
sich eine ernste Schwachstelle: Am 19. Dezember 1938 verstopfte aufgewirbelter Schnee die
Ansaugöffnungen für die Kühlluft der E-Motoren, woraufhin einer der Fahrmotoren
in Brand geriet. Es gelang, den Zug auf offener Strecke bei Fårup anzuhalten und
vollständig zu evakuieren. Der Brand konnte allerdings nicht mit Bordmitteln gelöscht
werden und führte zum Totalverlust des Zuges. Lediglich die Fronten und die Maschinenanlagen
der betroffenen Motorwagen MS 2 und MS 5 wurden kaum versehrt und konnten bei Bau eines weiteren
Zuges der Rehe MB wiederverwendet werden. Als Konsequenz wurden bei allen verbliebenen
Lyntog-Zügen die Ansaugöffnungen für die Kühlluft der Fahrmotoren an den Übergängen
unter der Dachkante zwischen dem äußeren und dem inneren Faltenbalg angeordnet.
Ferner wurden Schneeräumer an den Stirnseiten der Triebwagen nachgerüstet.
Der weitere Ausbau des Lyntog-Systems wurde 1940 jäh durch den Einmarsch der Deutschen
Wehrmacht in Dänemark unterbunden. Die folgende Rationierung von Kraftstoffen führte
zur Einstellung der Dieseltraktion bei der DSB und zur Abstellung der betreffenden Fahrzeuge
im kopenhagener Depot "Helgoland". Die Züge wurden permanent betriebsbereit
gehalten, um sie im Falle eines Luftangriffs schnell verlegen zu können. Bei der allgemeinen
Umzeichnung 1941 erhielten die Fahrzeuge die neuen Betriebsnummern MS 401-406 und AA 431-433.
Nach dem Ende der deutschen Besetzung Dänemarks normalisierte sich die Lage und ab Oktober
1945 wurde auch der Lyntog-Verkehr wieder aufgenommen. Die Einführung der Nachfolgebaureihe
MA 1963 leitete das Ende der Reihen MS und MB ein. Zu dieser Zeit hatten die alten Lyntog-Züge
längst ihren Nimbus der Moderne verloren und waren mehr für ihre unruhigen
Laufeigenschaften berüchtigt.
Als letzter Einsatz verblieb der "
Neptun Express", der in Kooperation mit der
"Deutschen Reichsbahn" (DR) 1968 eine direkte Verbindung zwischen Kopenhagen und Berlin
(DDR) knüpfte. Die DSB engagierte sich mit den Lyntog-Garnituren MS 401/402, MS 403/404,
MS 405/406 und MB 409/410, die etwas aufgehübscht und mit zwei weißen Zusatzleuchten
ausgerüstet wurden, um der deutschen Signalordnung zu genügen. Ab 1971 wurden alle
"Neptun"-Züge ausschließlich mit DSB-Fahrzeugen gefahren und im Sommer
1973 wurde die Verbindung bis zum West-Berliner Bahnhof "Berlin Zoologischer Garten"
verlängert. Zum Winterfahrplan 1973 ersetzten lokbespannte Züge die Triebwagen endgültig.
Abschied
Die letzte Fahrt der legendären "Lyntog"-Züge der 1930er
Jahre wurde durch den Triebzug MS 401 - AA 431 - MS 402 abvsolviert, der
einst die Brücke über den Kleinen Belt eröffnet hatte. Die Tour
als "Neptun Express" begann am Morgen des 29.09.1973 im Hauptbahnhof
Kopenhagen und f/uuml;hrte über Gedser, Warnemünde/Rostock nach Berlin.
Nach einer Übernachtung in Berlin erfolgte die Rückfahrt am nächsten Tag.
Die dänischen Etappen der Fahrt wurden von zahlreichen
Eisenbahn-Enthusiasten begleitet und sind dementsprechend ausführlich dokumentiert.
Specialvogn 605-607-606
Der Triebzug MS 405 - AA 433 - MS 406 wurde 1971/72 für kurze Zeit als Belastungsfahrzeug ohne
eigenen Antrieb verwendet, um MO-Triebwagen nach der Reparatur erproben zu können. Hierzu wurden
die Wagen als Bahndienstfahrzeuge "Specialvogn 605-607-606" umgezeichnet.
Verschrottung
Die Verschrottung der "Lyntog"-Züge erfolgte auf dem DSB-Gelände der Centralværstedet
Kh, wo die Fahrzeuge nach dem Ausschlachten abgebrannt und anschließend mit dem Schneidbrenner
zerlegt wurden. Lediglich die Garnitur MS 401 - AA 431 - MS 402 (ursprünglich:
MS 1 - AA 911 - MS 2) wurde für Museumszwecke erhalten.
Einführung
Teil 1: Entwicklung
Teil 2: Technik I - Antrieb und Laufwerk
Teil 3: Technik II - Fahrzeugteil
Teil 4: Einsatz
Teil 5: Technische Daten
Teil 6: Museums-Lyntog
Fahrzeugliste
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