Steckbrief Wismar-Maybach Triebwagen


Die "Eisenbahn-Verkehrsmittel-AG" (E.V.A.) stellte 1924 auf der "Eisenbahntechnischen Ausstellung" in Seddin ein neues Triebwagenkonzept vor. Dieser Prototyp wurde als "E.V.A.-Maybach-Wagen" bekannt und diente als Basis für verschiedene Baureihen der "Deutschen Reichsbahn" (DRG). Bei der Entwicklung der Fahrzeuge zeichnete die E.V.A. für den Fahrzeugteil verantwortlich, die Maschinenanlage war Aufgabe der "Maybach Motorenbau GmbH" in Friedrichshafen. Letztere war durch den Bau von Motoren für Flugzeuge und Zeppeline führend in der Entwicklung leichter, schnellaufender Dieselmotoren. Der Wagenkasten war aus Profilstahl genietet und mit Blech verkleidet. Der mittlere Teil des Wagenkastens war als Fahrgastbereich eingerichtet, die Endbereiche mit den Einstiegen und den Führerständen waren seitlich eingezogen. Das Dach war rundgewölbt und mit einem schmalen Oberlichtaufbau versehen, in dem die Kühlanlage und der Auspuff untergebracht war. Der Wagenkasten ruhte auf 2 zweiachsigen Drehgestellen, wovon eines als Maschinendrehgestell die gesamte Antriebsanlage aufnahm. Die Maschinenanlage selbst bestand aus einem 6-Zylinder Maybach-Diesel sowie einem Viergang-Getriebe mit Lamellenkupplung. Der Kraftstoffvorrat wurde in zwei Behältern unter dem Dach des Maschinenraumes mitgeführt. Die Kraftübertragung erfolgte über eine Blindwelle und Kuppelstangen. Der Motor ragte in den darüberliegenden Einstiegsraum und war gegen diesen mit einer geräusch- und wärmedämmenden Haube isoliert. Die DRG orderte entsprechende Triebwagen in einer weiterentwickelten Ausführung, die allgemein als "Wismar-Maybach-Wagen" bekannt wurden und die Betriebsnummern VT 853-861 sowie VT 866-871 erhielten.

In Dänemark interessierten sich verschiedene Privatbahnen für die Wismar-Maybach-Wagen, da diese günstiger, leichter und schneller lieferbar waren als die seinerzeit verfügbaren Fahrzeuge von DEVA oder Nakskov. Insgesamt wurden 1927 vier Triebwagen in unterschiedlichen Ausführungen von drei dänischen Privatbahnen erworben. Die Wismar-Maybach-Wagen bewährten sich im täglichen Betrieb und führten häufig Bei- oder Güterwagen mit. Allerdings erwiesen sich die schnellaufenden Maybach-Diesel als recht verschleißanfällig, so daß die Motoren mehrfach ausgetauscht werden mußten.

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Die Mariager-Fårup-Viborg Jernbane (MFVJ) bestellte zwei Wismar-Maybach-Wagen, die weitgehend den DRG-Fahrzeugen glich. Der Fahrgastraum war als 3. Kl.-Großraum mit Mittelgang und 2+3 Sitzteilung eingerichtet und mit einer Trennwand in einen Raucher- und einen Nichtraucherbereich gegliedert. Der Einstiegsraum gegenüber der Maschinenanlage diente zur Mitnahme von Traglasten. Die Fahrzeuge erschienen dunkelrot mit cremefarbenem Fensterband und erhielten die Betriebsnummern MFVJ M 1 und M 2. Die Wagen übernahmen den täglichen Personenverkehr der MFVJ und führten bei Bedarf Beiwagen mit. MFVJ M 2 ging bereits 1932 durch einen Brandschaden verloren, MFVJ M 1 wurde 1947 an die Hillerød-Frederiksværk-Hundested Jernbane (HFHJ) als HFHJ M 7 verkauft. Hier wurde das Fahrzeug 1956 als Personenwagen HFHJ C 7 umgebaut und 1971 ausgemustert. Das Maschinendrehgestell des Wagens diente als Basis für die bei der HFHJ in Eigenregie gebauten Kleinlok HFHJ T 3.

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Die Hillerød-Frederiksværk Jernbane (HFJ) bestellte einen Wismar-Maybach-Wagen in einer verkürzten Ausführung. Der Fahrgastraum war als 3. Kl.-Großraum mit Mittelgang und 2+3 Sitzteilung eingerichtet und mit einer Trennwand in einen Raucher- und einen Nichtraucherbereich gegliedert. Der Einstiegsraum gegenüber der Maschinenanlage war als 2. Kl. Abteil eingerichtet. Das Fahrzeug erschienen rot mit cremefarbenem Fensterband und erhielt die Betriebsnummer HFJ M 5, ab 1943 HFHJ M 5. Der Wagen wurde 1947 als Personenwagen HFHJ C 5 umgebaut und 1971 ausgemustert.

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Die "Skagensbanen" (SB) bestellte einen Wismar-Maybach-Wagen mit einer besonderen Einrichtung. Fast der halbe Fahrgastbereich war mit einem Seitengang eingerichtet, der an einem Postabteil und einem 2. Kl. Abteil vorbei führte. Der übrige Fahrgastraum war als 3. Kl.-Großraum mit Mittelgang und 2+3 Sitzteilung eingerichtet und mit einer Trennwand in einen Raucher- und einen Nichtraucherbereich gegliedert. Als einziger der dänischen Wismar-Maybach-Wagen war das Fahrzeug mit Übergängen an den Stirnseiten ausgestattet. Der Wagen mit der Betriebsnummer SB M 1 war bei Lieferung braun und erhielt 1938-39 ein rotes Farbschema mit weißer Zierlinie. das Fahrzeug 1948 wurde instand gesetzt, wobei ein Hercules-Dieselmotor eingebaut und der Oberlichtaufbau entfernt wurde. SB M 1 wurde 1968 ausgemustert und blieb zunächst in privater Hand erhalten. Seit 1989 gehört das Fahrzeug zum DJK und ist im Eisenbahnmuseum Gedser Remise ausgestellt. Spätestens ab 2021 wurde SB M 1 im Freien unter einer Plane abgestellt, so daß in absehbarer Zeit mit dem Totalverlust des Fahrzeugs gerechnet werden muß. Ein weiterer Triebwagen mit Maybach-Maschinendrehgestell wurde 1931 von Scandia aus dem vormaligen Personenwagen SB B 6 aufgebaut und erhielt die Betriebsnummer SB M 3.


Museal erhaltene Fahrzeuge:
DJK: SB M 1


Technische Daten Wismar-Maybach Triebwagen
MFVJ M 1-2 HFJ M 5 SB M 1
Hersteller E.V.A. E.V.A. E.V.A.
Baujahr 1927 1927 1927
Achsfolge B' 2' B' 2' B' 2'
Länge über Puffer 21.040 mm 17.170 mm 21.040 mm
Drehzapfenabstand 13.295 mm 9.170 mm 13.295 mm
Achsstand im Maschinen- / Laufdrehgestell 3.500 / 3.500 mm 3.500 / 3.500 mm 3.500 / 3.500 mm
Motor Maybach, 6 Zylinder Maybach, 6 Zylinder Maybach, 6 Zylinder
Leistung 110 kW (150 PS) bei 1.300 U/min 110 kW (150 PS) bei 1.300 U/min 110 kW (150 PS) bei 1.300 U/min
Kraftübertragung dieselmechanisch dieselmechanisch dieselmechanisch
Höchstgeschwindigkeit 60 km/h 60 km/h 60 km/h
Dienstgewicht 39,9 t 35,3 t 41,8 t
Sitzplätze 2. / 3. Kl. - / 79 + 7 Klappsitze 8 / 49 8 / 44
Einrichtung 2 Großr., 1 WC, Packr. 2 Großr., 1 Abt. 2.Kl., 1 WC 2 Großr., 1 Abt. 2.Kl., 1 WC, Postabteil


Abbildungen:

MFVJ M 1-2:

DK12887 DK12891 DK5718


HFJ M 5:

DK12888 DK12892


SB M 1:

DK13284 DK4598 DK4599 DK3819 DK11628 DK12972

DK2279 DK2272 DK9302 DK2277

DK9291 DK9292 DK9293 DK9294 DK9295 DK9296 DK9297

DK9289 DK9298 DK9299 DK9300 DK9301

DK9306 DK9307 DK9303 DK9304 DK9305 DK9308


Zum Verbleib der einzelnen Triebwagen s. Fahrzeugliste


Quellen:
Kalina, U.: Die Triebwagen der Länderbahnen und de Deutschen Reichsbahn. www.reichsbahntriebwagen.de.
Poulsen, John (1984): Motor Materiel 2: Motormateriellet fra udenlandske fabrikker før 1945. Roskilde: bane bøger.
Zschech, Rainer (1980): Triebwagen deutscher Eisenbahnen, Band 2: VT und DT. Düsseldorf: alba Buchverlag GmbH & Co. KG.




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