Besatzungszeit
Der Ausbruch des zweiten Weltkriegs 1939 und die Besetzung des neutralen
Dänemarks am 9. April 1940 durch die deutsche Wehrmacht änderten
die Lebensumstände des Landes in allen Bereichen dramatisch. Im
Verkehrssektor führte die Treibstoffrationierung zur Verlagerung
des Personen- und Güterverkehrs von der Straße auf die
Schiene und dort zur Einstellung des Dieselbetriebs. Im Gegensatz zu
anderen besetzten Ländern versuchte das Deutsche Reich aber
Dänemark eine Zusammenarbeit aufzunötigen. Hierbei sollte
insbesondere die landwirtschaftliche Produktion des Landes für
die eigene Kriegswirtschaft ausgebeutet werden - der Kaufpreis wurde
von den dänischen Banken "ausgelegt". Die hieraus
resultierenden Transportleistungen führten zusammen mit den
deutschen Militärzügen zu erheblichen Mehrbelastungen des
dänischen Schienensystems.
Die aktuellen politischen Entwicklungen ergaben auch für A/S Frichs
völlig neue Bedingungen: Dieselprojekte wurden weitgehend
eingestellt, stattdessen füllten zahlreiche neue
DSB-Bestellungen zum Nachbau bewährter Dampflokmuster die
Auftragsbücher. Statt Neubauten von Motorfahrzeugen wurden Umrüstungen
auf Gasgeneratoren oder Erdgasbetireb geordert. Unangenehm waren dagegen deutsche
Forderungen an die Firma, Dampfloks und U-Bootmotoren für die
Wehrmacht zu liefern. Zunächst gelang es mit dem Hinweis auf die
Priorität der DSB-Loks die deutschen Aufträge abzuweisen.
Schließlich mußten aber Bestellungen über zehn Loks
der Baureihe 44 ÜK (Übergangs Kriegslok) und zehn Kessel
für die Baureihe 52 akzeptiert werden, die recht zögerlich
bearbeitet wurden.
1943 wandte sich die Stimmung in der dänischen Gesellschaft
verstärkt gegen die Besatzungsmacht, organisierte
Widerstandsaktionen nahmen zu und es wurde der militärische
Ausnahmezustand verhängt. Bei A/S Frichs kam es 1944 zu zwei
Sabotageakten, bei denen mit inoffizieller Billigung der
Betriebsleitung die Fertigstellung der deutschen Loks durch
Sprengsätze verhindert werden sollte. Die unfertigen und beschädigten
Maschinen wurden daraufhin von den entnervten Besatzungstruppen konfisziert
und nach Deutschland überführt, wo sie nach Kriegsende für
die DR fertiggestellt wurden (Weiteres s. Anhang).
Neuanfang und strategische Fehleinschätzung
Nach der deutschen Niederlage verblieb A/S Frichs im Gegensatz zu den
meisten anderen europäischen Produktionsstätten ohne
Kriegsschäden oder Demontagen und mit gefüllten
Auftragsbüchern. Lediglich die Schwierigkeiten bei der
Materialbeschaffung behinderten die Aktivitäten. Einen Einschnitt
stellte das Ableben des langjährigen Geschäftsführers
Peter Due-Petersen dar. Sein Sohn Jens Due-Petersen übernahm das
Unternehmen und verteilte alle Leitungsaufgaben im engsten
Familienkreis. Damit entfiel die Notwendigkeit, sich gegenüber
Aktionärsversammlungen etc. zu rechtfertigen und
führte langfristig zu einem eigensinnigen, unflexiblen
Führungsstil. Das Allein-Lieferrecht für A/S Frichs
wurde von der DSB um weitere zehn Jahre verlängert. Allerdings
waren die Bestimmungen soweit aufgeweicht worden, daß es sich
nur noch um eine rein formale Absprache handelte.
Als erste nennenswerte Arbeiten wurden Ende der 1940er Jahre
zahlreiche Reparaturaufträge ausgeführt, darunter
24 Dampfloks aus Norwegen und 10 aus Holland, von
denen zwei als Ersatzteilspender ausgeschlachtet wurden.
Eine größere Bestellung kam aus Finnland über
20 Dampflok-Nachbauten der VR-Reihe Tk3 und fünf Rangiertraktoren
(
s. Anhang: A/S Frichs Exporte).
Anfang der 1950er Jahre folgten Aufträge
für modernisierte Ausführungen der Baureihen MO und MK/FK,
für die dänischen Privatbahnen wurden die Typen
"
Marcipanbrød" und
"
Rulleskøjter"
entwickelt. Diese beiden Muster stellten allerdings keine echten
Neukonstruktionen dar, da sie technisch von den MO-Triebwagen
abgeleitet waren - sie waren die letzten Neubauten von A/S Frichs
für die dänischen Privatbahnen. Weiterhin wurde für
Scandias "Skinnebusser"
ein neuer Motortyp entwickelt. und für Industriebahnen wurden
einige Schmalspur-Dieselloks gefertigt.
Im Vergleich zu den Privatbahnen, gelang Frichs der Zugang zum Markt
mit Industrie-Loks nur begrenzt. 1947 gingen zwei Loks an die
Küstenschutzbehörde "Vandbygningsvæsenet" (VBV)
als
VBV D 4 & D 5.
1959 folgten drei Dieselloks für "De danske Sukkerfabrikker"
(DdS) vom Typ "
16-Tonner".
Bei der ganzen Betriebsamkeit fiel zunächst garnicht auf, daß
A/S Frichs eine ganz andere Art von Kriegsschaden erlitten hatte: Die
Besatzungszeit hatte jegliche Neukonstruktion und den Anschluß
an internationale Entwicklungen unterbunden - anstatt die
Dieseltechnik voranzutreiben waren jahrelang nur veraltete
Dampflokmuster nachgebaut worden. Insgesamt hatte man die Fähigkeit
verloren, neue Fahrzeugkonzepte erfolgreich zur Serienreife zu
bringen, geschweige denn international als kokurrenzfähiger
Anbieter auftreten zu können.
Als weitaus folgenschwerer als die begrenzte Innovationsfähigkeit
erwies sich allerdings das Ignorieren einer entscheidenden Anfrage:
General Motors (GM) war seit den 1930er Jahren der dominierende
Hersteller für Dieselloks in den USA und verfügte über
ausgereifte Modelle. Mit dem Ende des zweiten Weltkriegs begann GM
weltweit neue Märkte zu erschließen, wofür lokale
Lizenznehmer gesucht wurden. Im skandinavischen Raum wurden
1946 A/S Frichs und die schwedische NOHAB angeschrieben aber nur
letztere nahm Verhandlungen auf und erhielt 1949 die Lizenz zur
Fertigung von Lokomotiven mit GM-Motoren.
Das Interesse der DSB für GM-Großdiesel wurde durch die
Studienreise ihres Ingenieurs Risbjerg Thomsen 1948-49 geweckt, erste
Verhandlungen mit NOHAB und GM folgten 1950. Als dieser
Vorgang bei A/S Frichs bekannt wurde, versuchte man hastig mit dem GM-Konkurrenten
ALCO eine vergleichbare Lizenzvereinbarung zu schließen, was aber nicht
glückte. So blieb für A/S Frichs lediglich die Rolle eines Unterlieferanten, als
die DSB ihre Dieselloks der Baureihen MY, MX und MZ bei NOHAB bestellte. Frichs
fertigte verschiedene Komponenten wie Wagenkästen und Drehgestelle, die
mittels Spezialwaggons zur Endmontage zu NoHAB versandt wurden.
Diese Degradierung der nationalen Industrie als Zulieferbetrieb
löste heftige Proteste aus und führte
schließlich zu der rein politisch motivierten Beauftragung
eines vergleichbaren dänischen Lokmusters, den Lokomotiven MY
1201 und 1202. A/S Frichs war Hauptauftragnehmer, der Motor wurde von
B&W entwickelt und die elektrische Ausrüstung kam von Thrige
Titan. Beide Maschinen wurden mit erheblicher Verspätung
ausgeliefert und fielen häufig aus. Hauptursache der
technischen Probleme war der B&W-Motor, der
nie betriebssicher lief. Langfristig ruinierte
dieses Projekt endgültig den Ruf von A/S Frichs, Triebfahrzeuge
selbständig entwickeln zu können.
Als die DSB Ende der 1950er Jahre die Beschaffung der Nebenbahn-Diesellok
MX plante, entstanden bei A/S Frichs eine ganze Reihe von Entwürfen.
Die meisten waren von vorhandenen Modellen abgeleitet und hatten gegen die
bewährten GM-Konstruktionen keine Chance. Der hilfloseste Vorschlag bestand
aus einer Doppellok auf Basis des Privatbahnmusters "Marcipanbrød":
Ein Fahrzeug der Achsfolge Bo' Bo' + Bo' Bo' mit einer Gesamtlänge von über
25 m, angetrieben von vier (!) Diesel-Generator Einheiten und acht Fahrmotoren.
Diese Erfahrungen bestärkten offensichtlich die DSB in ihrer neuen
Haltung, wonach man sich bei neuen Fahrzeugmustern vorzugsweise auf
bewährte, ausländische Produkte verließ.
A/S Frichs war dagegen noch auf die Vorkriegsverhältnisse angewiesen,
als nur bessere Entwicklungsmuster abgeliefert wurden, die erst bei der DSB
nach dem "Bananenprinzip" (also beim Kunden) ausreiften.
Faktisch war A/S Frichs weder preislich noch qualitativ und schon
garnicht in Bezug auf Lieferfristen gegenüber internationalen Herstellern
kokurrenzfähig.
A/S Frichs Übersicht
Teil 1: Frühe Jahre und Dampflokzeit
Teil 2: Die große Dieselzeit
Teil 3: Besatzungszeit und Neuanfang
Teil 4: Niedergang und Ende
Anhang: A/S Frichs Exporte