Dossier DSB MY - Teil 1: Entwicklung

Der DSB-Ingenieur Erik Risbjerg Thomsen (* 1914, † 1988) unternahm 1948/49 in Eigeninitiative eine dreimonatige Studienreise durch die USA, um die aktuellen Entwicklungen des Eisenbahnwesens zu studieren. Anfänglich galt sein Interesse der nach dem Hersteller benannten Chemikalie "Nalco" zur Behandlung von Kesselspeisewasser, das dann 1950 bei der DSB eingeführt wurde. Vor Ort nutzte er aber auch die Gelegenheit u.a. zum Besuch der "Electro Motive Devision" (GM-EMD), dem führenden Hersteller von Diesellokomotiven. Wieder daheim, veranlaßten seine begeisterten Berichte die DSB zu dem Beschluß, ihre Traktion vollständig zu Motorisieren auf Basis des bewährten Modells GM-EMD Series F. Parallel zu den Planungen der DSB, gewann GM-EMD den schwedischen Lokbauer Nydqvist och Holm AB (NOHAB) als Entwicklungspartner und Lizenznehmer für die Anpassung des EMD Exporttyps AA16 an die europäischen Gegebenheiten. Als größtes Hindernis beim Import neuer Diesellokomotiven erwies sich allerdings der Devisenmangel des dänischen Staats. Zusätzlicher Widerstand kam von Seiten der Industrie und der Gewerkschaften, die sich um den heimischen Wirtschaftsstandort bzw. Arbeitsmarkt sorgten. Die Lösung für diese Fragen wurde in der Einbindung dänischer Unternehmen in die Produktion gefunden. Für die neuen Loks wurde die Baureihenbezeichnung "MY" vorgesehen, die erstmals mit vierstelligen Betriebsnummern kombiniert wurde. Insgesamt orderte die DSB 59 Loks der Baureihe MY, die 1954-65 in 4 Lieferserien gebaut wurden.

DK14658

MY Lieferserien:
Baujahre Anzahl Betriebsnummern
Serie I 1954 4 MY 1101-1104
Serie II 1955-56 20 MY 1105-1124
Serie III 1957-58 20 MY 1125-1144
Serie IV 1964-65 15 MY 1145-1159


Die DSB bestellte am 4. März 1952 die ersten 4 Exemplare ihrer Baureihe MY und traf damit eine mutige Richtungsentscheidung. Nicht nur wurde man GM-EMD Erstkunde in Europa, mit dem Ende der Dampftraktion verabschiedete sich die DSB auch von der Gepflogenheit, ihre Lokomotiven ausschließlich von dänischen Produzenten - namentlich A/S Frichs - zu beziehen. GM-EMD lieferte den Dieselmotor Typ GM 567 mit 16 Zylindern, den Hauptgenerator sowie die technische Ausrüstung, NOHAB baute die Fahrzeugfronten mit den Führerständen und übernahm die Endmontage, aus Dänemark lieferte Frichs die Drehgestelle sowie die Rahmen und Lokkästen. Zum Transport der vorgefertigten Komponenten an NOHAB stellte die DSB exklusiv einige Flachwagen der Bauart TGS bereit, die mit speziellen Transportvorrichtungen versehen wurden und durch seitliche Tafeln mit entsprechenden Anschriften kenntlich waren. Bei der Überführungsfahrt der fertigen MYs in Schweden wurde zur Erfüllung des SJ-Signalreglements auf dem Dach ein Signalhorn montiert, das bei Ablieferung in Dänemark wieder entfernt wurde. Die letzte Etappe der Überführung erfolgte per Fähre mit Anlandung in Helsingør. Schon vor der Auslieferung der Loks wurde das erste DSB-Personal bei NOHAB auf die neue Technik geschult. Die teilnehmenden Lokführer nannten sich nun stolz "MY-fører" und stiegen in eine höhere Gehaltsgruppe auf.


Serie I: MY 1101-1104

MY 1101 wurde als Erste ihrer Bauart am 7. Februar 1954 an die DSB übergeben und nach einigen Testfahrten der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Lok wurde vom Publikum begeistert als Symbol der Erneuerung und Moderne angenommen, die internationale Fachpresse berichtete ausführlich. Die charakteristische Frontpartie der Lokomotive brachte der Baureihe MY (und später der Baureihe MX) den Spitznamen "Rundsnude" (Rundnase) ein. Alle 4 Loks der ersten Lieferserie wurden umfassend erprobt ohne nennenswerte Ausfälle und übertrafen die erwarteten Werte bei Zugkraft und Fahrzeiten. Sie eigneten sich gleichermaßen für die Beförderung von Personenzügen bis 500 t (entsprechend 14 Waggons), wie von Güterzügen von 1.000 t (entsprechend bis zu 100 Waggons). Als Höchstgeschwindigkeit wurde 120 km/h angesetzt, im Fahrbetrieb wurden aber 133 km/h problemlos erreicht. Ab 1955 wurden die MY in festen Umläufen im 2. Distrikt (Jütland, Fünen) eingesetzt und lösten dabei die Dampfloks der Reihen E und H ab. Die ökonomischen Effekte wurden im ersten Betriebsjahr mit Vergleichszahlen zu Betriebs-, Personal- und Unterhaltskosten erfaßt und mit denen von 4 Loks der Reihe E im selben Zeitraum verglichen. Demnach erreichten die MY nahezu die doppelte Laufleistung mit einer fast 50 % höheren Zuglast, die Betriebskosten waren dagegen über 50 % günstiger. Pro Lok ergab sich damit eine jährliche Ersparnis von DKK 678.000, so daß sich der Kaufpreis von rund DKK 1,8 Mio bereits innerhalb von 3 Jahren amortisierte.

DK14667


Serie II: MY 1105-1124

Bestärkt durch die positiven Betriebsergebnisse, wurde umgehend die Beschaffung der nächsten Lieferserie von 20 Loks als MY 1105-1124 eingeleitet, wobei die zwischenzeitlich von GM-EMD eingeführten Verbesserungen des Modells F7 berücksichtigt wurden. So wurde nun der leistungsgesteigerte Motor Typ GM 567C mit ebenfalls verstärkten Hauptgenerator und Fahrmotoren verwendet. Der dänische Anteil an der Fertigung wurde auf verschiedene elektrische Komponenten ausgedehnt, wobei Titan A/S die Wechselstromausrüstung und Thrige (TBT) die Fahrmotoren mit Lüftern lieferten. Als Zugeständnis an erneut aufkommende politische Bedenken, erging zusätzlich an die dänische Industrie ein Auftrag über zwei Musterloks aus heimischer Produktion, die dem Leistungsspektrum der Baureihe MY entsprechen sollten. Für diese wurden die Betriebsnummern MY 1201-1202 vorgesehen, wobei A/S Frichs für den Fahrzeugteil stand und B&W einen geeigneten Motor entwickeln sollte. Beide Loks wurden mit erheblicher Verspätung abgeliefert und stellten wegen ihrer Mängel nie eine ernsthafte Konkurrenz für die NOHAB-Maschinen dar. Die Loks der MY Serie II wurden 1956 mit einigen Monaten Verzögerung ausgeliefert und waren mit diversen Mängeln behaftet, die nach und nach behoben wurden. So bildeten sich Risse in Schalldämpfern und den Zylinderköpfen, Ausstoßventile brachen und es fanden sich Produktionsfehler bei Fahrmotoren und Radlagern.

DK8791


Serie III: MY 1125-1144

Vor Beschaffung weiterer MY war vorgesehen, die Betriebsergebnisse der Vergleichslokomotiven MY 1201-1202 aus dänischer Produktion zu evaluieren, deren Auslieferung sich aber aber bis 1957 bzw. 1960 verzögerte. Daher bestellte die DSB 1956 ihre 3. Lieferserie von 20 Loks als MY 1125-1144 in unveränderter Ausführung zu den bisherigen Maschinen, wobei der politische Widerstand überraschend ausblieb. Die Indienststellung der Loks erfolgte 1957-58 ohne weitere technische Probleme.

DK11762


Serie IV: MY 1145-1159

Im Hinblick auf die Eröffnung der Vogelfluglinie orderte die DSB 1963 eine 4. Serie von 15 Loks als MY 1145-1159. Abweichend von der bisherigen Ausführung, wurde hier die stärkere Motorvariante Typ GM 567D sowie weiterentwickelte Ausführungen des Hauptgenerators und der Fahrmotoren gewählt. Hinzu kamen kleinere Änderungen, die sich aus den bisherigen Btriebserfahrungen ergaben.

DK14527 DK14528 DK14529 DK14530 DK14531


Einführung
Teil 1: Entwicklung
Teil 2: Einsatz
Teil 3: Technische Beschreibung
ex DSB MY in Dänemark
ex DSB MY in Schweden
ex DSB MY in Deutschland und Ungarn
Fahrzeugliste


Zur Fahrzeug-Übersicht