Die wegweisende Konstruktion der Baureihen VT 08.5 / VT 12.5
führte zu Beschaffungen durch weitere Bahnbetreiber, die sich für
mehr oder weniger abgeleitete Bauformen entschieden.
USATC VT 08.8
Die nach 1945 in Europa stationierten
US-Streitkräfte "United States Army Europe" (USAREUR)
nutzten die Logistikeinheit "United States Army Transportation
Corps" (USATC) für Transportaufgaben. Diese Einheit
verfügte bei ausgewählten Bahnhöfen über eigene
Areale und betrieb diverse Eisenbahnfahrzeuge. Während für
den Verschiebedienst Dieselloks aus Beständen der US-Army zum
Einsatz kamen, wurde für den Personenverkehr brauchbares
Material requiriert. In der westdeutschen Besatzungszone der USA
zählten dazu rund 80 Reisezugwagen sowie 24 ex DRG-Triebwagen
inkl. je 4 Schnelltriebwagen der Bauarten SVT 137 "Hamburg"
und SVT 137 "Köln". Die Triebwagen wurden im Laufe der
1950er Jahre zurückgegeben und durch Neufahrzeuge der Bauarten
VT 33.8 und VT 08.8 ersetzt,
die für verschiedene Einsatzbereiche eingerichtet waren: Salontriebwagen standen
hochrangigen Persönlichkeiten wie dem Oberkommandierenden der
USAREUR und dem US-Botschafter in Deutschland zur Verfügung. Die
Salontriebwagen waren mit leistungsfähigen Funkanlagen versehen
und konnten somit auch als mobile Leitstellen genutzt werden, ihre
Fahrpläne und Einsätze unterlagen daher strenger
Geheimhaltung. Einfacher ausgestattete Salontriebwagen wurden u.a.
für Erholungsreisen von Offizieren genutzt. Lazarettzüge
dienten dagegen zum Verlegen von Patienten zwischen den
Krankenhäusern der US-Streitkräfte. Der Betrieb der
Fahrzeuge erfolgte durch die DB, die Lokführer und Techniker
stellte, Küchenpersonal und Servicekräfte für die
Salontriebwagen kamen von der DSG.
Die USAREUR erhielt 1956 auf Basis der VT 08.5 / VT 12.5 sechs zweiteiligeTriebzüge bestehend
aus einem Motor- (VT) und einem Steuerwagen (VS), die im Nummernschema der DB
als VT 08.8 geführt wurden. Abweichend von den DB-Ausführungen,
waren diese Triebwagen an den Kopfenden mit Puffern und
Regelkupplungen sowie mit Jettair-Klimaanlagen System "Lahmeyer-Etna"
ausgestattet. VT 08 801-806 erschienen im "Olive Drab" der
US-Army und wurden wurden 1968 als 608 801-806 umgezeichnet. Die
Fahrzeuge wurden in zwei Ausführungen geliefert:
Die
Salontriebwagen VT 08 801-802 (Two Car Command Train) standen der Generalität der
USAREUR-Hauptquartiere in Heidelberg und Stuttgart-Vaihingen zur
Verfügung. Im VT waren Abteile für die deutsche Besatzung
(2 Lokführer, 1 Elektriker, 1 Koch, 1 Küchenhilfe, 1
Servicekraft) und das US-Personal (Traincommander, Funker,
Wachmannschaft etc.) sowie eine Küche und ein Speiseraum für
10 Personen eingerichtet. Der VS diente als Suite für den
General und seiner ggf. mitreisenden Gattin. Kernstück der
Einrichtung war ein Salon als Speise- und Konferenzraum, der die
gesamte Wagenbreite ausnutzte. Weiterhin gab es Schlafabteile und
eine Dusche. Die verschiedenen Dienstherren nutzten ihre Züge
mit unterschiedlicher Intensität, recht häufig wurden
Wochenendausflüge nach Bayern und insbesondere nach
Garmisch-Partenkirchen unternommen. Der prominenteste Fahrgast war
US-Präsident John F. Kennedy, der 1963 mit dem VT 08 801 nach
West-Berlin reiste. VT 08 802 wurde bereits 1974 ausrangiert, VT 08
801 (Spitzname "Der General") erhielt 1973 ein neues
Farbschema in rot mit beigem Fensterband und wurde 1987/88
grundlegend modernisiert. Dabei erhielten die Führerstände
ungeteilte Frontscheiben (ähnlich BR 103, aber eine
Sonderanfertigung). Durch den Fall der Berliner Mauer und die
Deutsche Wiedervereinigung entfiel der Bedarf für den
Salontriebwagen. Das Fahrzeug wurde 1991 zum Verkauf angeboten und
schließlich von der "Georg Verkehrsgesellschaft"
(GVG) erworben. Diese verpasste dem Fahrzeug ein neues Farbschema in
beige/blau und vermietete es für min. DM 9.000,00 pro Tag an
solvente Kunden. Zu diesen zählte laut Rhein-Neckar-Zeitung von
1997 auch ein Mexikanischer Geschäftsmann, der mit Familie, Koch
und Sekretärin mehrfach Schienenkreuzfahrten durch Europa
unternahm und die großen Opernhäuser besuchte. Mit dem
überraschenden Ableben des GVG Inhabers Rolf Georg 2019 stand das
Unternehmen vor einer ungewissen Zukunft, "Der General" wurde zum Verkauf gestellt
und fand zwischenzeitlich einen neuen Unterstand im Museums Bw der "Deutschen Gesellschaft
für Eisenbahngeschichte" (DGEG) in Neustadt an der Weinstraße.
Die
Lazarettwagen VT 08 803-806 (Ambulance Car) der "US-Army Medical-Division"
unterschieden sich von den Salontriebwagen bei gleicher technischer
Ausführung in der Raumaufteilung und der Einrichtung. Im VT
folgte auf den Maschinenraum ein Gepäckraum und eine Küche
sowie ein Großraum mit 21 Plätzen in 2+1 Teilung für
Patienten, die sitzend transportiert werden konnten. Weiterhin gab es
einen Apothekenraum mit Kühlschrank und Inkubator. Im VS gab es
einen Raum für Liegendpatienten mit 8 Doppelstockbetten, sowie
einen separaten Liegeraum für Frauen mit 2 Doppelstockbetten,
einen Personalraum und ein Isolierabteil mit separatem WC. In der
Wagenmitte ermöglichte ein Einstiegsraum mit vierflügeligen
Falttüren den Zugang für Patienten auf Tragen. Mit den
Lazarettwagen wurden Patienten zwischen den US-Army Krankenhäusern
in Heidelberg, Stuttgart, München, Nürnberg, Würzburg
und Frankfurt a.M. nach einem festen Fahrplan verlegt. Die Transporte
wurde 1973/74 wegen der relativ langen Fahrzeiten eingestellt und die Triebwagen ausrangiert.
Technische Daten USATC VT 08.8 |
|
VT 08 801-802 Two Car Command Train |
VT 08 803-806 Ambulance Car |
Anzahl |
2 |
4 |
Hersteller |
WMD Donauwörth |
Credé |
Baujahre |
1956 |
1956 |
Achsfolge |
B' 2' + 2' 2' |
B' 2' + 2' 2' |
Länge über Puffer |
54.100 mm |
54.100 mm |
Motor |
Daimler-Benz MB 820 Bb, 12 Zylinder, Druckladung |
Daimler-Benz MB 820 Bb, 12 Zylinder, Druckladung |
Leistung |
736 kW (1.000 PS) bei 1.500 U/min |
736 kW (1.000 PS) bei 1.500 U/min |
Kraftübertragung |
dieselhydraulisch |
dieselhydraulisch |
Höchstgeschwindigkeit |
140 km/h |
140 km/h |
Dienstgewicht |
- t |
- t |
Einrichtung |
VT: Maschinenr., x Abt., Küche, Speiser., WC
VS: Salon, x Abt., Duschr., WC |
VT: Maschinenr., Gepäckr., Großr., Apothekenr., 1 WC
VS: 2 Lieger., Personalabt., Isolierabt., 3 WC |
Exportversionen
Das Grundkonzept der VT 08.5 / VT 12.5 wurde von verschiedenen Herstellern auch für
Exportmodelle angewendet. Dabei handelte es sich um zwei- und dreiteilige Triebzüge
mit dieselhydraulischen Antriebsaggregaten in Maschinendrehgestellen,
die der DB-Konstruktion weitgehend entsprachen. Auch bei der
Gestaltung der Fahrzeuge wurde recht deutlich auf die Vorbilder
zurückgegriffen, allerdings verzichtete man ggf. auf die aufwendige
sphärische Ausführung der Frontpartien. Entsprechende
Triebzüge wurden von LHB, Esslingen und MAN an die
Bahnverwaltungen von Israel, Brasilien, Mexiko und der Türkei geliefert.
Designvorlage
Das sphärisch gewölbte Profil der VT 08.5 / VT 12.5 wurde von der DB auch bei elektrischen
Triebfahrzeugen angewendet. Entsprechende Gestaltungen fanden sich bei folgenden Baureihen:
Die dreiteiligen Triebzüge der Baureihe
ET 56 (ab 1968 BR 456) von 1952
waren die ersten neukonstruierten Nachkriegs-Elektrotriebzüge. Die Fahrzeuge
zeigten die neue Gestaltung, entsprachen technisch aber weitgehend
den Mustern aus den Zeiten der DRG. Die insgesamt sieben Triebzüge
waren im Südwesten beheimatet und wurden 1986 ausrangiert, keines blieb erhalten.
Die dreiteiligen Triebzüge der Baureihe
ET 30 (ab 1968 BR 430) von 1956
waren eine Neukonstruktion zur Beschleunigung des Städte-Nahverkehrs im Ruhrgebiet. Die
insgesant 24 Triebzüge blieben dort bis 1984 im Einsatz. ET 30
014 blieb einige Jahre als Museumszug betriebsfähig bis zu
seiner Verschrottung 2006. Lediglich der Triebkopf 430 414 blieb in
der "Eisenbahn Erlebniswelt" in Horb am Neckar erhalten.
Die Akkutriebwagen
ETA 176 (ab 1968 BR
517) von 1952 waren im Bw Limburg (Lahn) stationiert und wurden auf
Grund ihrer Form als "Limburger Zigarre" bekannt. Für
die 8 Triebwagen gab es in gleicher Zahl und Form geeignete
Steuerwagen. 517 001 blieb erhalten und wurde 1983 in den
Ursprungszustand als rollfähiges Museumsfahrzeug versetzt.
Die parabolische Frontgestaltung fand bei der DB letztmalig Verwendung bei der Baureihe
103 mit 4
Vorserienloks 1965 und 145 Loks in Serienausführung ab 1970. Die letzten
Exemplare dieser Reihe wurden 2003 abgestellt, 15 Maschinen blieben 15 museal erhalten.
Ein Konsortium aus den Firmen Rheinstahl-Henschel und Brown, Boveri & Cie (BBC) Mannheim begann
1965 mit der Entwicklung einer Versuchslok und konnte 1970 die
weltweit erste dieselelektrische Lok mit Drehstromgenerator,
Thyristorsteuerung und Asynchron-Fahrmotoren vorstellen. Die Loks
erhielten die Typbezeichnung
DE 2500 und wurden von der DB als
Baureihe 202 angemietet. 202 003-0 erhielt als Erprobungsträger
für das Projekt "UmAn" am Führerstand 1 eine parabolische Verkleidung.
Einführung
Teil 1: Neue Schnelltriebzüge für die DB
Teil 2: VT 08.5
Teil 3: VT 12.5
Teil 4: Abgeleitete Bauformen
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