B&W Gründung
Der gelernte Tischler Hans Heinrich Baumgarten (*1806, †1875) sammelte
seine Erfahrungen als Maschinenbauer in verschiedenen
Anstellungsverhältnissen und gründete 1843 schließlich
seine eigene mechanische Werkstatt. 1846 stieg der Techniker Carl
Christian Burmeister (*1821, † 1898) in das Geschäft ein,
das um eine Eisengießerei erweitert wurde. Als Standort wählte
man das Grundstück Overgaden neden Vandet 170 auf Christianshavn
in unmittelbarer Nachbarschaft der Christians Kirke. Das Unternehmen
firmierte als "Baumgarten & Burmeister" (B&B) und
entwickelte sich lebhaft: 1848 konnte die erste Dampfmaschine
ausgeliefert werden und 1854 entstand mit der S/S HERMOD der erste
Raddampfer bei B&B, der vom "Post- og Telegrafvæsenet"
bestellt worden war. Unter den folgenden Schiffsbauten fand sich auch
der Raddampfer "HJEJLEN", der als Ausflugsdampfer noch
heute auf den Seen um Silkeborg unter Wegs ist.
Nachdem sich H. H. Baumgarten zur Ruhe gesetzt hatte, trat der Ingenieur William Wain
(*1819, † 1882) als neuer Gesellschafter in die Firma ein.
1871 geriet das Unternehmen in erste Schwierigkeiten durch Streiks
und mangelnde Liquidität. Es erfolgte eine Neuaufstellung als
Aktiengesellschaft "Burmeister & Wains Maskin- og
Skibsbyggeri A/S" (B&W) mit tatkräftiger Unterstützung
durch den legendären Bankier C. F. Tietgen.
Der B&W-Geschäftsbereich Schiffbau erhielt ein eigenes
Werftgelände, das 1872 auf der Refshaleøen eröffnet
wurde. Hier entstanden u.a. die Staatsyachten "S/S DANNEBROG"
für das dänische Königshaus und "S/S STANDART"
für Zar Nikolaus II. Der B&W-Maschinenbau verblieb dagegen
am alten Standort Christianshavn, wo 1897 neue Werkshallen aufgeführt
wurden. Hier wurden hauptsächlich Dampfmaschinen gebaut, ein
weiterer Geschäftsbereich lieferte Zentrifugen. Die Fertigung
der Letzteren erforderte die Einhaltung besonders feiner Toleranzen,
so daß sich B&W besonders hochwertige Produktionstechniken
und qualifiziertes Personal erarbeitete. Damit war das Unternehmen
bestens für die künftige Motorenproduktion vorbereitet.
Eine weitere Standorterweiterung erfolgte in den 1920er Jahren auf
Teglholmen im Kopenhagener Südhafen, wo eine Gießerei
entstand.
Der Dieselmotor
1894 ging bei B&W ein Brief von Rudolf Diesel (*1858, † 1913) ein,
in dem dieser seinen patentierten Motor anpries. Man ließ sich 1897 in der
Maschinenfabrik Augsburg einen Versuchsmotor vorführen und im
Folgejahr wurde eine Lizenzvereinbarung geschlossen, die B&W zur
Fertigung von Dieselmotoren ermächtigte. 1898 nahm der erste bei
B&W nach Diesels Plänen gefertigte Motor den Erprobung auf
und bewährte sich mit hoher Zuverlässigkeit. Wirtschaftlich
war die Maschine aber nicht interessant, da sowohl die Herstellung
als auch der verwendete Kraftstoff Petroleum zu teuer waren. Dies
änderte sich 1902, als die "Shell Transport and Trading
Co." mit der Einfuhr von billigem "Texasöl"
begann. Damit ließen sich entsprechend weiter entwickelte
Motoren betreiben und rechnerisch ein Preisvorteil von rund 1/3
gegenüber den Brennstoffkosten einer mit Kohle befeuerten
Dampfmaschine erreichen. Ab 1904 bot B&W verschiedene
Viertakt-Dieselmotoren an und konnte bis Mitte 1909 insgesamt 160
Stück mit Leistungen zwischen 8 und 600 PS absetzen. Die
stationären Maschinen fanden Verwendung in kleineren
Kraftwerken, in Wasserwerken sowie für zahlreiche industrielle
Anwendungen.
Die treibende Kraft hinter der Dieseltechnik bei B&W war der technische Leiter am
Standort Christianshavn, Ivar Peter Bagger Knudsen (*1861, †
1920). Knudsen entwickelte ein Konzept, den Dieselmotor auch als
Schiffsantrieb zu verwenden. Seine Vision fand begeisterte Resonanz
bei der Reederei "Det Østasiatiske Kompagni" (ØK),
die mit der M/S SELANDIA (lat. Seeland) und der M/S FIONIA (lat.
Fünen) zwei entsprechende Schiffe bei B&W in Auftrag gab.
Ein weiteres Schwesterschiff M/S JUTLANDIA (lat. Jütland) wurde
aus Zeitgründen als Lizenzbau bei der "Barclay, Curle &
Co." In Glasgow geordert. Allerdings galt es noch eine
besondere Aufgabe zu lösen: Damalige Dieselmotoren ließen
sich in ihrer Drehrichtung nicht umsteuern und eine Lösung mit
Wendegetrieben oder Verstellpropellern war nur bei geringen
Leistungen machbar. B&W gelang hier der Durchbruch mit einer
verschiebbaren Steuerwelle, die eine Umkehr der Drehrichtung in
weniger als 20 Sekunden gestattete.
M/S SELANDIA
Die Vorstellung der M/S SELANDIA 1912 bedeuteten nichts weniger als eine Revolution des
Schiffbaus: Es handelte sich um das weltweit erste hochseetaugliche
Schiff mit Dieselantrieb. Es hatte eine Verdrängung von 7.410
BRT, der Antrieb erfolgte mit zwei achtzylindrigen Motoren, die
jeweils 1.250 PS bei 140 U/min leisteten. Im Vergleich zu
dampfgetriebenen Schiffen vergleichbarer Größe reichte
eine Maschinistencrew von 8 gegenüber 25 Mann und der sonst für
die Kesselanlage benötigte Raum blieb für zusätzliche
Nutzlast frei. Äußerlich zeichnete sich das Fahrzeug mit
seiner strahlend weißen Farbgebung von den mit Kohlestaub und
Ruß verschmutzten Dampfschiffen ab. Auf den sonst üblichen
Schornstein hatte man ganz verzichtet, die Abgase wurden über
den hinteren Mast abgeführt und traten dort durch
Schlitzöffnungen auf halber Höhe aus. Die Jungfernfahrt
führte die M/S SELANDIA problemlos nach Bangkok und zurück
ohne zwischenzeitliche Kraftstoffaufnahme und endete unter lebhafter
öffentlicher Anteilnahme in Kopenhagen. Die Schiffe der
Selandia-Klasse fanden weltweit größte Beachtung und
wurden bei entsprechenden Hafenvisiten u.a. von Winston Churchill und
Kaiser Wilhelm II besucht. Ein weiterer Gast zur Kieler Woche war der
Generaldirektor der "Hamburg-Amerika Linie" Albert
Ballin, der die M/S FIONIA umgehend erwarb.
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Der überzeugende Erfolg der SELANDIA-Klasse machte B&W zu einem der weltweit
führenden Hersteller von Dieselmotoren, deren weitere
Entwicklung intensiv betrieben wurde: Ab den 1920er Jahren wurde bei
kleineren Motoren der Kreuzkopf zwischen der Kolbenstange und dem
Pleuel aufgegeben und stattdessen ein Schubkurbelgetriebe verwendet,
was kompaktere und leichtere Bauformen ermöglichte. Eine
deutliche Leistungssteigerung wurde mit doppeltwirkenden Motoren
erreicht, die pro Zylinder je einen Brennraum über und unter dem
Kolben aufwiesen. Ab 1930 folgte man dem internationalen Trend und
bot auch Zweitakt-Dieselmotoren an. Das erste Schiff mit einem
doppeltwirkenden Zweitaktdiesel war die M/S AMERIKA der ØK,
deren Maschine 7.028 iPS leistete.
Die Krönung dieser Entwicklungslinie war der Motor für das Notstromaggregat
des Kopenhagener Kraftwerks "H. C. Ørstedsværket"
von 1932: Der doppeltwirkende Zweitaktmotor mit 8 Zylindern leistete
22.500 PS und stand als Reserve für Stromausfälle und
Spitzenbelastungen bereit (s.u.: B&W Museum).
Die neuen Motortypen erforderten zusätzliche Produktionskapazitäten, die u.a.
durch den Aufkauf der "Københavns Flydedok og Skibsværft"
1927 und der "A/S Holeby Dieselmotor Fabrik" 1930 realisiert wurden. 1938
wurde die "A/S Det Danske Diesel Motor Compagni"
übernommen und als "Bur-Wain Autodiesel A/S" weiter
geführt. Zweck des Unternehmens war die Fertigung von Dieselmotoren,
die für den Einbau in Lkw und Busse geeignet waren. Dabei handelte es
sich um Viertakt-Maschinen mit 6 Zylindern und einer Leistung von gut
100 PS. 1938-48 wurden rund 1.600 Motoren gebaut, deren geringe Stückzahl
allerdings keine wirtschaftliche Fertigung zuließ.
Mit der deutschen Besetzung Dänemarks
1940 ergaben sich für B&W erhebliche Einschränkungen:
So hinderte der Mangel an Material und Energie die Produktion, ein
Übriges taten vereinzelte Bombenangriffe durch Saboteure und
alliierte Luftstreitkräfte. Neu im Fertigungsprogramm waren
jetzt Gasgeneratoren, die Holz und Torf nutzten um dem allgemeinen
Treibstoffmangel zu begegnen. Diese Vorrichtungen fanden Verwendung
bei Kraftfahrzeugen, bei stationären Anlagen und auch in der NAVITAS,
dem weltweit ersten hochseetauglichen Frachtschiff mit Gasgeneratoren.
Ein besonderes Sortiment bildeten Schiffsdieselmotoren, die zusammen mit der "Alpha
Diesel" in Frederikshavn gebaut und unter der Marke "B&W
ALPHA" vertrieben wurden. Es handelte sich dabei um Motoren für
Fischereifahrzeuge u.ä., die sich durch hohe Haltbarkeit,
günstigen Betrieb und geringen Wartungsbedarf auszeichneten. Die
Motoren waren als Zweitaktmaschinen ohne Ventile möglichst
einfach aufgebaut mit 2-8 Zylindern und einer Leistung von 100-1.050 PS.
Übersicht
Teil 1: Gründung und Dieselmotor
Teil 2: Glanzzeit und Niedergang
Teil 3: Lokomotivbau