Das Auftauchen der ersten Triebwagen in Dänemark wurde bei Scandia
als Gefahr für den Absatz von Personenwagen für Nebenbahnen
gesehen. Da das Unternehmen über keine eigenen Kapazitäten
zur Entwicklung von Maschinenanlagen verfügte, schloß
Scandia 1924 ein Lizenzabkommen mit der "Deutsche Werke Kiel"
(DWK) über die Fertigung benzinmechanischer
DWK-Triebwagen.
Diese Fahrzeuge waren bei der HAJ und drei jütländischen
Privatbahnen bereits erfolgreich im Einsatz, ihre Beschaffung wurde
aber durch schwankende Wechselkurse und die dänischen
Einfuhrzölle behindert. Scandia beschränkte sich aber nicht
auf einen reinen Nachbau sondern entwickelte das Konzept weiter für
den dänischen Markt. Die Fahrzeuge wurden als kurze und als
lange Bauform angeboten, sie wurden allgemein als "Kielervogne"
(Kieler Wagen) bekannt.
Die Antriebsanlage der Kielervogne wurde von DWK geliefert und war in
einem eigenen Rahmen zwischen den Drehzapfen aufgehängt, um
Vibrationen vom Wagenkasten fernzuhalten. Die Kraftübertragung
erfolgte über ein Viergang-Getriebe und Kardanwellen. Der
Wagenkasten stammte von Scandia und war im Vergleich zur DWK-Vorlage
stabiler ausgeführt sowie mit klarlackiertem Teakholz
verkleidet. Die Fahrzeugenden wurden als Einstiegsräume mit
Führerständen und Platz für Traglasten eingerichtet und
waren wie beim DWK-Typ "Kommißbrot" stumpf
ausgeführt. Der Fahrgastraum war mit gepolsterten,
lederbezogenen Bänken möbliert, alle Fahrzeuge wurden über
das Kühlwasser des Motors beheizt und waren mit einem WC
ausgestattet. Weitere Ausstattungsmerkmale variierten nach
Kundenwunsch. So konnte der Fahrgastraum durch eine Trennwand in
Nichtraucher- und Raucherabteil getrennt werden, einige Fahrzeuge
wurden mit gesonderten Post- und Packräumen eingerichtet.
Die Stirnseiten konnten mit Türen und Übergängen für
das Bahnpersonal ausgestattet werden, wobei die Bedienelemente des
Führerstandes immer mittig angeordnet waren.
Scandia lieferte an Privatbahnen auf Jütland und Fünen insgesamt 14
Kielervogne, weitere Bestellungen unterblieben, da ab 1928 die
stärkeren, dieselelektrischen Triebwagen aus der Kooperation mit
Frichs verfügbar waren. Mit der Übernahme von
Privatbahnen auf Fünen erhielt die DSB 1949 auch vier dieser
Fahrzeuge, die zwischenzeitlich als Baureihe MBF geführt und
bald an verschiedene Privatbahnen weiter verkauft wurden. In den
1950er Jahren erhielten die meisten Kielervogne neue Dieselmotoren
und Änderungen bei der Anordnung der Dachkühler, einzelne
Fahrzeuge wurden zu Reisezugwagen umgebaut. Der Einsatz dieser
Fahrzeuge endete in den 1970er Jahren. Nur ein Kielervogn ist
vollständig, ein anderer als Reisezugwagen erhalten. Der
Wagenkasten des ersten Wagens (SKRJ M 1, später HP M 20)
verrottet irgendwo in Nordjütland als Werkzeugschuppen.
Passend zu den "Kielervogne" bot Scandia zweiachsige
Beiwagen an, die
neben einem Fahrgastraum auch mit einem Traglastenraum und einem Postabteil
eingerichtet waren.
Museal erhaltene Fahrzeuge:
MHVJ: RHJ M 4 (lange Bauform)
SFvJ: TKVJ M 1 (kurze Bauform, 1951 Umbau als Reisezugwagen HTJ C 35)
Technische Daten Kielervogne |
|
Bauart "lang" |
Bauart "kurz" |
Anzahl |
11 |
3 |
Hersteller |
Scandia |
Scandia |
Baujahre |
1926-1929 |
1926-1928 |
Achsfolge |
(1A)' (A1)' |
(1A)' (A1)' |
Länge über Puffer |
18.310 mm |
13.250 mm |
Motor |
DWK, 6 Zylinder |
DWK, 6 Zylinder |
Leistung |
110 kW (150 PS) bei 1000 U/min |
110 kW (150 PS) bei 1000 U/min |
Kraftübertragung |
benzinmechanisch |
benzinmechanisch |
Höchstgeschwindigkeit |
70 km/h |
70 km/h |
Dienstgewicht |
33,0 t |
28,0 t |
Sitzplätze |
58-76 + 2-10 Klappsitze |
46-50 + 0-10 Klappsitze |
Zuladung im Traglastenraum |
0,5 t |
- |
Ausstattung |
1 WC, ggf. Post- u. Packraum |
1 WC |
Abbildungen:
Lange Bauform:
RHJ M 4 blieb bei der "Mariager-Handest Veteranjernbane" (MHVJ)
erhalten, wo um 1980 mit der Restaurierung begonnen wurde. Es dauerte bis
Juni 2023, bis der Triebwagen wieder im Einsatz auf der Museumsbahn erlebt werden konnte.
Kurze Bauform:
Zum Verbleib der einzelnen Fahrzeuge s.
Fahrzeugliste
Quellen:
Andersen, Torben (2001): Scandia diesellokomotiver og motorvogne 1924-1934. Lokomotivet 65: 41-47.
Andersen, Torben (2001): Motormateriel hos Hjørring Privatbaner. Lokomotivet 67: 41-47.
Christensen, Peter & Poulsen, John (2005): Motor Materiel 6: Motormateriellet fra danske fabrikker før
1932. Smørum: bane bøger.
Löttgers, Rolf (1988): Die Triebwagen der Deutschen Werke Kiel, Lübbecke: Verlag Uhle & Kleimann.
Mariager Handest Veteranjernbane (MHVJ): www.jernbaner.dk/mhvj
Syd Fyenske Veteranjernbane (SFvJ): www.sfvj.dk
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