Die Bedingungen des Versailler Friedensvertrages von 1918 zwangen die
deutsche Rüstungsindustrie zur Wandlung
in zivile Betriebe mit neuen Geschäftsfeldern. Die betroffenen
Unternehmen wurden dabei zunächst unter Verwaltung des
Reichsschatzministeriums in dem Konzern "Deutsche Werke AG,
Berlin W" zusammengefasst, wobei die einzelnen Betriebe jeweils
ihren Standort zum Namensbestandteil machten. Hierzu
zählte auch die ehemalige Kaiserliche Werft Kiel, die als
"Deutsche Werke Kiel AG" (DWK) begann, sich u.a. mit
Triebwagen neue Märkte zu erschließen. Geeignete Motoren
waren aus vormaligen Rüstungsprojekten verfügbar, alles
andere wurde unter Leitung von Oberingenieur Sternberg neu
entwickelt. Als Vorbild dienten die Konstruktionen des Amerikaners
William McKeen, der schon ab 1905 erfolgreich Motortriebwagen u.a.
für die Union Pacific Railway produzierte. DWK übernahm das
Leichtbaukonzept mit der typischen, bugartig zugespitzten Front des
Wagenkastens sowie den Antrieb durch einen Vergasermotor. Neu war der
Zweirichtungsbetrieb sowie die Lagerung der gesamten Antriebsanlage
unter dem Fahrzeugboden in einem eigenen Rahmen. Letzterer stützte
sich federnd auf die Drehgestelle und verminderte so die Übertragung
von Vibrationen des Motors auf den Wagenkasten. Die Kraftübertragung erfolgte
über eine mechanische Kupplung auf Getriebe und Kardanwellen.
Als Antrieb kamen zunächst modifizierte Flugzeugmotoren zum
Einsatz, ab 1924 folgten dann von DWK selbstentwickelte Motoren und
Getriebe. Als Kraftstoff ließ sich wahlweise Benzol oder Benzin
verwenden, wobei die Vergaser zum Betrieb mit schweren
Treibstoffen beheizbar waren. Der Motor ragte in den Fahrgastraum und
wurde dort durch eine Haube mit Sitzbänken abgedeckt.
DWK präsentierte 1921 ein Typenprogramm mit zwei- und vierachsigen
Triebwagen unter den Modellbezeichnungen Typ I-IV, 1925 folgte ein
weiterentwickelter Typ V. Der mit Stahlblech verkleidete Wagenkasten
war in einen großen Fahrgastraum sowie in zwei endständige
Einstiegsräume mit Führerständen unterteilt. Der Innenraum
war hell und schmucklos gehalten, die Sitzbänke waren mit Holzlatten beplankt.
Auf Wunsch wurde auch ein WC eingebaut, wobei die Typbezeichnung durch
ein "A" (= Abort) ergänzt wurde. Das relativ schmale
Lichtraumprofil erlaubte den Einsatz der Fahrzeuge gleichermaßen
auf Regel- und Schmalspurbahnen. Die charakteristische Bugform
brachte den Wagen die Bezeichnung "Spitzmäuse"
ein, ab 1923 wurde eine überarbeitete Form mit planen Fronten
angeboten, die als "Kommißbrot" bezeichnet wurde.
Insgesamt lieferte DWK rund 50 Triebwagen an deutsche, dänische, norwegische,
schwedische, niederländische, italienische und österreichische
Bahnen aus. Auf Grund schwankender Wechselkurse und Einfuhrzölle konzentrierte man
sich ab 1925 auf den Vertrieb von Motoren und Getrieben. Diese wurden
über die 1926 in Kooperation mit der AEG gegründeten
"Triebwagenbau AG" (TAG) vertrieben oder direkt an Lizenzpartner verkauft.
DWK lieferte 1935 den letzten Triebwagen aus eigener Herstellung ab.
Für die DWK-Triebwagen interessierten sich in Dänemark insbesondere
die "Haderslev Amtsbaner" (HAJ), die sich nach dem Anschluß
Nordschleswigs an Dänemark in einer wirtschaftlich bedrängten
Situation fanden. Nach der Vorführung der zweiachsigen Variante
orderte die HAJ 1921-29 insgesamt 12 DWK-Drehgestellwagen vom Typ IV
in 1000 mm Schmalspurausführung mit Mittelpufferkupplung.
Weiterhin wurden sieben regelspurige Triebwagen der Typen I und IV
mit Kupplungshaken und Puffern von den nordjütländischen
Privatbahnen AHB, FFJ und HLA bestellt. Weitere Aufträge an DWK
ergingen nicht, da Scandia in Randers ab 1925 als Lizenznehmer entsprechende
Fahrzeuge als "
Kielervogne"
aus dänischer Produktion mit Antriebsanlagen von DWK anbot.
Die DWK-Triebwagen wurden bei den
dänischen Privatbahnen einzeln und mit bis zu zwei Beiwagen
eingesetzt. Bei der HAJ fuhren die Wagen auch in Doppeltraktion und
wurden unterwegs als Flügelzüge geteilt. Der Erfolg des
Betriebes beruhte maßgeblich auf der Übung des
Personals, da das Getriebe nicht synchronisiert und dementsprechend
anfällig war. Die HAJ erzielte gute Ergebnisse mit dem Konzept
"ein Fahrzeugführer - ein Wagen", wohingegen die
nordjütländischen Bahnen größere Schwierigkeiten
mit einem zuverlässigen Betrieb hatten. Bis Ende der 1930er Jahre
waren alle DWK-Triebwagen in Dänemark ausgemustert, einige
wurden zu Personenwagen umgebaut. Keines der Fahrzeuge blieb erhalten.
Die Farbgebung der Fahrzeuge bei Lieferung ist nicht eindeutig
überliefert. Die HAJ-Triebwagen waren ursprünglich grün
und wurden in späteren Betriebsjahren rot mit gelbem Fensterband
lackiert, die nordjütländischen Wagen waren einheitlich dunkelrot.
Technische Daten DWK-Triebwagen: |
|
DWK-Prototyp |
Typ IV, IVA* |
Typ IA** |
Anzahl |
1 |
16 |
3 |
Hersteller* |
DWK |
DWK |
DWK |
Baujahre |
1921 |
1921-26 |
1922-24 |
Achsfolge |
1 A |
(1A)' (A1)' |
(1A)' (A1)' |
Motor |
Mercedes F1466, 6 Zylinder |
Mercedes F1466, 6 Zylinder |
Mercedes, 6 Zylinder |
Leistung |
110 kW (150 PS) bei 1.200 U/min |
74 kW (100 PS) bei 1.200 U/min |
118 kW (160 PS) bei 1.000 U/min |
Antriebsart |
benzinmechanisch |
benzinmechanisch |
benzinmechanisch |
Höchstgeschwindigkeit |
- km/h |
60 km/h*** |
60 km/h |
Länge über Kupplung |
11.300 mm |
14.750 mm |
20.136 mm |
Dienstgewicht |
15,0 t |
14,0 t |
20,0 t |
Einrichtung |
36 Sitzplätze |
37 Sitzplätze, 1 WC |
61 Sitzplätze, 1 WC |
* = Angaben für FFJ M 1201, 1202 (Typ IVA, Regelspur, spitze Fronten)
** = Angaben für AHB M 3201 (Typ IA, Regelspur, spitze Fronten)
*** = Die Höchstgeschwindigkeit für die Schmalpurausführung der HAJ war auf 45 km/h begrenzt.
Abbildungen:
DWK Prototyp
Bauform "Spitzmaus", Typ IV, IVA
Bauform "Spitzmaus", Typ IA
Bauform "Kommißbrot"
Zum Verbleib der einzelnen Triebwagen s.
Fahrzeugliste
Quellen:
Löttgers, Rolf (1988): Die Triebwagen der Deutschen Werke Kiel, Lübbecke: Verlag Uhle & Kleimann.
Paulsen, Patrick et al.: www.loks-aus-kiel.de
Poulsen, John (1984): Motor Materiel 2: Motormateriellet fra udenlandske fabrikker før
1945. Roskilde: bane bøger.
Poulsen, John (1996): 1921: De første forsøg med motordrift. Jernbane
historisk årbog '96: 31-35. Smørum, bane bøger.
Rieche, Burkhard (1996): Spitzmäuse oder: Wie Schiffbauer Triebwagen bauten. MIBA 5/96: 42-45.
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