Die Winterzeit stellte die dänischen Seewege seit jeher vor eigene Herausforderungen, sobald die
Eisbildung den Schiffsverkehr verhinderte. Kurze Strecken ließen sich jetzt ggf. direkt mit Fuhrwerken
befahren, auf längeren Strecken wurden dagegen "Isbåde" (Eisboote) verwendet. Dabei handelte
es sich um offene Boote, deren Kiel als Schlittenkufe ausgebildet war. Die Boote wurden von der
Besatzung über das Eis geschoben und im offenen Wasser gerudert bzw. gesegelt. Über Jahrhunderte
boten die Isbåde die einzige Reisemöglichkeit und Nachrichtenverbindung durch Dänemark während der
Winterzeit, in der selbst die frühen Dampfschiffe machtlos waren. Der Einsatz der Eisboote war nicht
in jedem Jahr erforderlich, der Spitzenwert wurde im Winter 1799/1800 verzeichnet mit
Eisbootdienst an insgesamt 115 Tagen.
Nach dem Aufsehen erregenden Verlust eines privaten Bootes mit 3 Personen und einem Vermögen
von 25.000 Reichstalern, wurde der Betrieb der Eisboote über den Store Bælt 1794 an
"Det Kongelige Postvæsen" übertragen. An den Endpunkten der Verbindung wurden
in Halsskov (Seeland) und Knudshoved (Fünen) Eisbootstationen errichtet mit Unterkünften
für Reisende, Dienstwohnungen und Bootsschuppen. Auf halber Strecke wurde auf der Insel
Sprogø zusätzlich eine Notunterkunft eingerichtet für den Fall, daß ungünstiges Wetter
die Weiterreise verhinderte. Es wurden einheitliche Boote mit einer Länge von rund 6 m
beschafft, die unter dem Kiel mit einer Stahlkufe versehen waren. In Halskov wurden 35 Boote
stationiert, Knudshoved erhielt 25 und Sprogø 1 Eisboot. Die Mannschaft bildeten 1 Bootsführer
und 4 Mann Besatzung, die saisonal angeheuert wurden. Es gab Platz für bis zu 5 Passagiere,
wobei von männlichen Reisenden erwartet wurde, sich beim Schieben des Bootes über das Eis
zu beteiligen. Eisboote machten sich in Gruppen auf den Weg, um sich zur Not gegenseitig
Hilfe leisten zu können. Die Überquerung des Store Bælts dauerte bei guter Wetterlage
ca. 6 Stunden, schlechte Witterung konnte die Passage zu einem mehrtägigen Abenteuer werden
lassen mit spartanischer Einquartierung auf Sprogø. Der Eisbootdienst wurde 1883 von
"Det Sjællandske Statsbaner" übernommen, die ihrerseits 1893 in der DSB aufgingen.
Unter deren Verwaltung erhielten die Eisbootstationen Anschlußgleise zum DSB-Netz für
eine bessere Erreichbarkeit auf dem Schienenweg.
Im 20. Jhdt. nahm die Bedeutung des Eisbootdienstes ab, da nun kräftige Dampfschiffe und
Eisbrecher sowie Flugzeuge verfügbar wurden. Hinzu kamen klimatische Veränderungen,
als deren Folge die Eistage seltener wurden. Die Liegenschaften am Store Bælt wurden 1923 stillgelegt und
der Eisbootdienst 1937 eingestellt, letzte Einsätze erfolgten während der deutschen Besetzung
Dänemarks 1940-45. Die Stationen Knudshoved und Halskov wurden
als Ferienheime umgewandelt, der Standort Sprogø wurde an "De Kellerske Anstalter"
veräußert (s.u.). In der ehemaligen Eisbootstation in Halskov richtete das
"Korsør By og Overfartsmuseum" 2001 das "Isbådsmuseet" als Außenstelle
ein. Weitere Exemplare der Eisboote sind in verschiedenen Museen zu finden wie dem
"ENIGMA", dem vormaligen Postmuseum in Kopenhagen und Danmarks Jernbanemuseum in Odense.
Auch die "Østfyns Museer" haben ein Eisboot am Standort "Borgmestergården"
in Nyborg, das dort von einer Freiwilligengruppe instand gesetzt wird.
Isbådsmuseet
Halsskov Odde
Storebæltsvej 140
https://www.byogoverfartsmuseet.dk
De Kellerske Anstalter, Sprogø
Der Oberarzt Christian Keller erwarb 1923 die Gebäude der ehemaligen Eisbootstation
auf Sprogø und eröffnete hier eine von "De Kellerske Anstalter". Dies war
eine Unterbringung für "unangepaßte Mädchen" - ein Euphemismus für kriminelle
oder wegen Geisteskrankheiten entmündigte Frauen - sowie für Prostituierte und andere
als "moralisch defekt" diskriminierte Frauen. Vergleichbare Einrichtungen
für Männer befanden sich auf der Insel Livø und in Brejning. Es handelte sich um eine
staatliche Fürsorgeeinrichtung zum Schutz der Bevölkerung vor der Verbreitung angeblich
minderwertigen genetischen Materials und von Geschlechtskrankheiten. Die Anstalt galt als fortschrittlich und human,
tatsächlich arbeitete man aber mit Gewaltmaßnahmen wie Isolation, Zwangssterilisation
und ähnlichen Methoden. Eine Behandlung der Insassinnen erfolgte nicht, der Alltag
bestand schlichtweg aus harter Arbeit und erzwungener Disziplin. 1961 wurde die Einrichtung
geschlossen, in der insgesamt 400-500 Frauen jeweils meist für mehrere Jahre interniert
worden waren. Eine offizielle staatliche Entschuldigung bei den Opfern erfolgte erst 2023
anläßlich des 100. Gründungstages der Anstalt, die die letzten beiden Betroffenen noch erlebten.
Die grausame Geschichte der Kellerschen Anstalt auf Sprogø wurde lange ignoriert und erst
wieder ab Ende der 1990er Jahre aufgegriffen anläßlich der Errichtung der Brücke über den
Großen Belt. Eine breitere öffentliche Wahrnehmung erreichten 2007 die Romane
"Skygger fra Sprogø" (Schatten von Sprgø) von Vibeke Marx sowie 2010 "Verachtung"
(dän.: "Journal 64") von Jussi Adler-Olsen, 2023 folgte der Spielfilm "Ustyrlig".
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Die Eröffnung der Brücke über den Großen Belt 1998 machte Sprogø zu einem integralen Teil
der Verbindung mit der Mündung des Eisenbahntunnels. Einige historische Gebäude blieben
denkmalgeschützt erhalten und wurden 1991 mit Unterstützung der "Sund & Bælt Holding"
renoviert. Die Insel ist seit 1999 nicht mehr bewohnt und darf als Naturschutzgebiet nur
im Rahmen von Führungen betreten werden.
Quellen:
Becker, Katrine (20--): Lidt om kvindeanstalten på Sprogø. Dansk Forsogshistorisk Museum.
ENIGMA: www.enigma.dk
Korsør By og Overfartsmuseum: www.byogoverfartsmuseet.dk
Ludwig, Otto (1950): I kamp mod isen. Handels- og Søfartsmuseet på Kronborg, Årbog 1950: 71-107.
Lunding Tolversen, Cecilie (2023): Nu får Sprogø-kvinderne deres udskylding. Familie Journal: www.familiejournal.dk
Månsson, Erik (2019): Isforekomster og isbrydning i danske farvande. Marinehistorisk Tidsskrift 52. årgang Nr. 1: 3-17.
Pedersen, Erik V. (2015): Tur til Sprogø. EVP Danmark, www.evp.dk
Oslash;stfyns Museer: https://nyborgslot.dk
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