Als die "Sjællandske
Jernbane-Selskab" (SJS) die Errichtung der Strecke
Kopenhagen-Roskilde begann, stellte sich auch die Frage nach
geeigneten Lokomotiven und so unternahm der SJS-Direktor J. G. C.
Schramm 1844 eine Studienreise zu führenden europäischen
Herstellern. Nach einem Besuch bei Borsig in Berlin konzentrierte er
sich auf britische Unternehmen und wählte letztendlich die
"Sharp Brothers & Co." in Manchester als Lieferanten.
Die SJS bestellte hier vier Lokomotiven mit Schlepptender sowie eine
weitere Lok ohne Tender als Reserve. Anfänglich hatte die SJS
Loks mit außenliegenden Zylindern bestellt, die aber von Sharp
nicht mehr gebaut wurden. Stattdessen wurde der Auftrag gewandelt und
die SJS erhielt Lokomotiven des Typs "Sharp single". Bei
diesen Loks handelte es sich um ein Standardmodell, das in rund 600
Exemplaren für zahlreiche Bahngesellschaften gefertigt wurde.
Die SJS erhielt ihre "Sharpies" 1845 und taufte diese auf folgende
Namen: "ODIN", "KJØBENHAVN", "SJÆLLAND",
"DANMARK" und "KORSØR", Betriebsnummern 1-5. In der Literatur
wurden die dänischen Maschinen daher meist als "Odin-Klasse" bezeichnet.
Die Loks der Odin-Klasse verfügten an beiden Enden über eine Laufachse
sowie über eine mittig angeordnete Treibachse. Der Antrieb
erfolgte über zwei innenliegende Zylinder mit
Stephenson-Steuerung. Der Rahmen war in "Sandwich"-Bauweise
aus Eichenbohlen mit seitlichen Beplankungen aus Eisenblech
ausgeführt. Der Kessel war mit Filz isoliert und mit Holzleisten
verkleidet. Der Führerstand war offen und wurde erst ab 1856
durch eine Stirnwand mit runden Fenstern gegen den Fahrtwind
geschützt. Der Tender war dreiachsig und mit
einem Sitz für einen begleitenden Mechaniker versehen, der den
folgenden Zug im Blick behalten sollte. Der Rahmen und die
Kesselverkleidung wraen grün lackiert, die Rauchkammer, die
Führerstandwände und der Tenderaufbau waren in schwarz
gehalten, die vordere Pufferbohle war rot. Die Pumpe für
das Kesselspeisewasser wurde über
eine Kurbel an einem der Radsätze angetrieben und wirkte daher
nur bei rollender Maschine, sodaß im Depot ein gesondertes
"Pumpengleis" erforderlich war.
Bei der feierlichen
Einweihung der Linie Kopenhagen-Roskilde am 26. Juni 1847 befuhr ODIN
die Strecke als Vorauslok und erlangte damit den Status als Dänemarks
erste Lokomotive. Der folgende Eröffnungszug inkl. seiner
Majestät König Christian VIII nebst Gemahlin war wie folgt
zusammengestellt: DANMARK, 1 Postwagen, 1 offener Wagen mit
Blaskapelle, 1 Wagen 3. Kl., 1 Wagen 1./2. Kl., 1 Königswagen, 3
Wagen 1./2. Kl. und 2 Wagen 2. Kl. In der folgenden Zeit diente die
Strecke in erster Linie dem Ausflugsverkehr, wobei es an den
Wochenenden gelegentlich zu tumultartigen Szenen kam, wenn die Züge
wieder einmal heillos überlastet waren. Mit der Verlängerung
der Strecke bis Korsør 1856 wurden die Loks der Odin-Klasse
dort stationiert und meist vor Güterzügen eingesetzt.
Schließlich wurden die Maschinen Anfang der 1860er Jahre wegen
vielfältiger Verschleißerscheinungen ausgemustert nach
einer Laufleistung von rund 200.000 km pro Lok.
Mit der Eröffnung
der "Klampenborgbane" 1863 stieg bei der SJS der Bedarf an
Zugkraft und so nutzte der Leiter der Maschinenabteilung, Otto
Frederik August Busse d. Ä. (*1822, † 1883) die
stillgelegte Odin-Klasse für Neubauten in den SJS-eigenen
Werkstätten. Tatsächlich wurden von Sharp-Loks lediglich
die Rahmen und die Radsätze wieder verwendet, die neuen Kessel
stammten von der "D. Løvener & Co", Kopenhagen.
Ein neues Merkmal war ein Führerhaus. So enstanden die drei neuen Loks
"ODIN", "ROTA" und "HILDUR" die ab 1876 als SJS
I 61-63 geführt wurden.
Odin erhielt zu einem späteren Zeitpunkt einen Kondensationsapparat vom Typ
"Kirchweger", bei dem der Abdampf durch den Wasservorrat des
Tenders geführt wurde und dort in einen zweiten Schornstein
entwich. Die beiden anderen Loks wurden mit einem Speisewasser-Injektor vom Typ
"Giffard" nachgerüstet. Die Maschinen standen
bis Mitte der 1880er Jahre in Dienst, keine der Loks blieb erhalten.
Technische Daten: |
Anzahl |
5 |
Hersteller |
Sharp |
Baujahre |
1846-47 |
Bauart, Steuerung |
1A1 n2, Stephenson |
Länge über Puffer |
11.650 mm |
Rostfläche |
1,0 m² |
Verdampfungsheizfläche |
77,2 m² |
Kesselüberdruck |
5,0 atm |
Zylinder-Ø |
381 mm |
Kolbenhub |
508 mm |
Treibrad-Ø |
1.524 mm |
Laufrad-Ø |
1.067 mm |
indizierte Leistung |
- PS |
Zugkraft |
- t |
Höchstgeschwindigkeit |
50 km/h |
Dienst- / Reibungsgewicht der Lok |
20,0 t / 12,5 t |
Tender: Achsfolge / Dienstgewicht |
3 / 15,0 t |
Vorrat: Wasser / Kohle |
4,5 m³ / 2,0 t |
Abbildungen:
Lieferzustand:
Nach Wiederaufbau:
ODIN Rekonstruktion
Als um 1900 die
ersten Ansätze zum Aufbau einer Sammlung für ein DSB Museum
aufgenommen wurden, waren alle Artefakte der Loks der Odin-Klasse
längst verloren. Es begann daher eine intensive Suche nach
Quellen und Zeichnungen, um mit ODIN die erste dänische
Lokomotive wenigstens rekonstruieren zu können. Die
Anstrengungen resultierten in einem Modell im Maßstab 1:10, das
1926 erstmalig mit Exponaten für das zukünftige DSB-Museum
ausgestellt wurde.
Ab Mitte der 1990er Jahre entwickelte Danmarks
Jernbanemuseum den Plan, ein betriebsfähiges Replikat der ODIN
im Maßstab 1:1 zu bauen. Dazu sollten mit umfangreichen
Recherhen original Dokumente zu den Maschinen ausgewertet werden bzw.
durch den Vergleich mit zeitgenössischen Loks eine größtmögliche
Annäherung erreicht werden. Mit dieser Aufgabe wurden 2001 die
ausgewiesenen Experten Michael R. Bailey und John P. Glithero
betraut, die ihr Können bereits mit den Rekonstruktionen der
Stephenson-Loks "Rocket" und "Planet"
bewiesen hatten. Die Autoren legten 2004 ihren Report vor, auf dessen
Basis der Nachbau der "ODIN" durch eine Gruppe von
ehrenamtlichen Enthusiasten begann. Die Arbeiten wurden in
der Remise in Roskilde durchgeführt, die als Werkstatt von
Danmarks Jernbanemuseum diente. 2014 wurde bei einer
Sonderveranstaltung der Stand des Projektes in Danmarks
Jernbanemuseum in Odense gezeigt. Im Juni 2018 erfolgten erste
Probefahrten unter Dampf auf dem Museumsgelände in Odense und
am 15. September desselben Jahres wurde das Replikat offiziell vorgestellt.
Zum Verbleib der einzelnen Loks s.
Fahrzeugliste
Quellen:
Bailey, Michael R. & Glithero, John P. (2004): The Odin Project. Odense: The Danish Railway Museum.
Bay, William (1977): Danmarks damplokomotiver. Herluf Andersens Forlag.
Danmarks Jerbanemuseum: www.jernbanemuseum.dk
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