Im Rahmen des Programms "Gode Tog til Alle" (GTA) für ein besseres
Bahnangebot forderte die DSB 1998 neues Material für
den Fernverkehr. 2000 wurden 83 neuzukonstruierende
Dieseltriebzüge bei der italienische AnsaldoBreda bestellt, die
das günstigste Angebot unterbreitet hatte. Die vierteiligen
Einheiten werden allgemein als "IC4" bezeichnet und
erhalten die DSB-Baureihenbezeichnung MG. Es können bis zu
vier Triebwagengarituren zu einem Zug kombiniert werden. Die Antriebsanlage besteht
aus vier Unterflur-"Powerpacks" (Motor, Getriebe,
Kühlsystem, Generator, Kompressor) und erfüllt die EURO
III-Abgasnorm. Die Gestaltung erfolgte gemeinsam durch Pininfarina
und die DSB, wobei auf skandinavische Designprinzipien Wert gelegt
wurde: Höchster Komfort, klare Funktionalität und ausschließlich
authentische Werkstoffe (also kein Holz- oder Lederimitat
etc.). Der vielseitig ausgelegte Fahrgastbereich bietet u.a. einen
behindertengerechten Niederflurbereich, in dem auch Kinderwagen und
Fahrräder mitgeführt werden können.
Der Bau der Fahrzeuge erfolgt größten Teils bei AnsaldoBreda in Pistoia. Da die
Fahrzeuge das übliche europäische Lichtraumprofil überschreiten,
wurden die Wagenkästen der ersten Triebzüge per Schiff und Tieflader nach Århus
geschickt. Aus Kostengründen wurden ab November 2006 alle
weiteren Auslieferungen auf eigenen Drehgestellen
über die Schweiz, Deutschland und schließlich über den Grenzbahnhof
Padborg nach Dänemark geschleppt.
In Århus unterhält Ansaldobreda eine Montagehalle
zur Endmontage der Züge auf dem DSB-Gelände in der Augustenborggade (das
Gelände ist von der Straßenbrücke "Ringgadebroen"
aus einsehbar). Von hier erfolgen die Test- und Abnahmefahrten mit
den fertiggestellten Einheiten inkl. Hochgeschwindigkeitsfahrten
zwischen Tønder und Tinglev. Eine Vorausserie der ersten 14
Triebzüge erhielt die typbezeichnung NT++, die folgende Serienausführung
wurde als als Typ MPTO (Methods and Procedures Technical Order) bezeichnet.
Der ursprüngliche Zeitplan sah die erste Auslieferung für 2003 und die volle
Einsatzbereitschaft der gesamten IC4-Flotte zum Sommerfahrplan 2006
vor. Die termingerechte Abwicklung sollte durch die Verwendung
bewährter Serienkomponenten gewährleistet werden.
Tatsächlich war das Projekt IC4 von Anfang an mit ernsten
Problemen belastet: So mußten 2004 die IVECO-Motoren der ersten
Züge wegen undichter Zylinderköpfe ausgetauscht und
konstruktiv überarbeitet werden. Die Powerpacks gaben seitdem
immer wieder Anlaß für Beanstandungen und das zentrale
Steuersystem krankt an Softwareproblemen. Das Einbinden des dänischen
Zugsicherungssystems ATC erfolgte ebenfalls nicht termingerecht.
Die Lieferverzögerung der IC4-Züge hat weitreichende Folgen für den DSB-Fuhrpark,
so daß u.a. die Reihen MR/MRD und MQ sowie die Nahverkehrswagen vom
Typ Bn und die geleasten Doppelstockwagen länger als geplant in
Dienst verbleiben müssen. Für den Fernverkehr wurden von der DB
zehn Diesel-Schnelltriebzüge der Baureihe
605 "ICE TD"
angemietet. Unabhängig davon entstanden
unerwartete Mehrkosten durch die Anpassung zahlreicher Bahnsteige an
Länge und Einstiegshöhe der neuen Fahrzeuge.
Zusätzlich zu den vierteiligen IC4-Triebzügen wurden weitgehend baugleiche,
zweiteilige Einheiten für den Regionalverkehr bestellt. Dieser
Typ soll in 23 Einheiten beschafft werden und läuft unter der Bezeichnung IC2 bzw. als DSB-Reihe
MP/FP. Im Zuge der Schwierigkeiten
mit dem IC4-Projekt, wurde die Auslieferung verschoben. Im Sommer
2011 gelangte kurzzeitig ein erstes Probefahrzeug nach Dänemark.
Projektstatus:
Die für 2006 anvisierte Einsatzreife der IC4-Züge wurde nicht erreicht, im
September 2006 waren lediglich neun IC4-Züge in Dänemark
ohne Abnahme fertiggestellt. Im Juni 2007 fuhren erste Testzüge
mit Fahrgästen zwischen Århus und Ålborg im
Regionalverkehr. Als wesentliche Mängel wurden die fehlende
Zulassung für den Betrieb auf der Storebæltquerung sowie
die nicht funktionierende Mehrfachsteuerung genannt. Anfang 2008
wurde der Probebetrieb vorübergehend eingestellt, da überhitzte
Verbindungen der Abgasleitungen zu Geruchsbelästigung in den
Innenräumen des Zuges führten. Schließlich stellte
die DSB ein 12-monatiges Ultimatum, wonach bis Mai 2009 insgesamt 14 Triebzüge
eine Abnahme für den Inlandsverkehr bestanden haben mußten
und ein weiteres Fahrzeug alle vertraglichen Bedingungen zu erfüllen
hatte. Andernfalls drohte eine Annulierung der gesamten Bestellung.
Im Mai 2009 hatte AnsaldoBreda die geforderte Anzahl von Triebzügen
abgeliefert, konnte aber nur eine eingeschränkte Bauartzulassung
für gekuppelte Züge erreichen und nachwievor bestanden
erhebliche Softwareprobleme. Daher schloß die DSB folgenden
Vergleich mit dem Hersteller: AnsaldoBreda erstattete nahezu die
Hälfte des ursprünglichen Auftragswertes und akzeptierte
einen neuen Lieferzeitplan. Die DSB hielt dagegen ihre Bestellung
aufrecht und beteiligte sich an der Entwicklung der Steuersoftware.
Immerhin erfolgte im November 2010 die Typzulassung für die
"MPTO Pack 1 Konfiguration" (MPTO = Methods and Procedures Technical Order).
Damit können die Fahrzeuge nun auch in Doppeltraktion eingesetzt werden.
Im März 2011 gab die DSB bekannt, daß bei Bombardier in Randers
zwei Hallen als zusätzliche Werkstattkapazitäten für 5 Jahre angemietet wurden.
Entsprechend dem Vergleich von 2009 sollen hier die Fahrzeuge der Reihen
MQ und MP/FP fertig gestellt werden. Die Arbeiten erfolgen in DSB-Regie
und sorgen für 20-25 neue Arbeitsplätze.
Zunächst sollen die ersten 14 IC4-Züge abgearbeitet werden,
die 2007-09 mit erheblichen Mängeln ausgeliefert worden waren.
Bis Mai 2011 waren 43 Triebzüge ausgeliefert, von denen 18 zum
Einsatz zugelassen waren. Zahlreiche Probleme reduzieren regelmäßig
die Zahl der einsatzfähigen Fahrzeuge erheblich.
Es bleibt abzuwarten, ob diese Lösung zielführend ist. Wichtige Aspekte
bei der Akzeptanz der Reihe MG waren sicher die Tatsachen, dass kurzfristig
keine moderne Dieselalternative zur Verfügung stand und eine
Elektrifizierung weiterer DSB-Strecken erst nach der Einführung
des neuen Zugsicherungssystems ETCS um 2020 als realisierbar galt. Die
Ausmusterung der Reihe MG war für 2024 zu erwarten.
2023 wurden die Züge ..34, ..77 und ..83 von dem rumänischen Betreiber
Cardinal Main S.R.L. übernommen.
Obwohl die verbliebenen 60 IC4-Züge 2027 ausrangiert werden sollten, wurden sie
Anfang 2024 noch einem Nachhaltigkeitsprogramm zur Reduktion des CO₂-Abdrucks unterzogen.
So wurde die Wärme der Abgase nun zum Heizen der Züge genutzt, die Motoren erhielten
eine Abschaltautomatik zur Vermeidung von Leerlauf und die Innenbeleuchtung wurde von
Leuchtstoffröhren auf LEDs umgestellt. Man rechnete mit einem jährlichen
Einsparpotential von 2.000 t CO₂, zu den Kosten der Umrüstung äußerte sich
die DSB nicht.
Technische Daten DSB IC4 (Angaben sind vorläufig): |
Anzahl |
83 |
Hersteller |
AnsaldoBreda |
Baujahre |
2003-?? |
Achsfolge |
(1A)' (A1)' 2' (1A)' (A1)' |
Länge über Kupplung |
86.000 mm |
Motor |
4 x IVECO, 8 Zylinder |
Leistung |
4 x 560 kW (4 x 762 PS) |
Kraftübertragung |
dieselmechanisch |
Höchstgeschwindigkeit |
200 km/h |
Dienstgewicht |
160,0 t |
Ausstattung |
185 + 19 Klappsitze, Flexraum, 3 WC |
IC4 Wagentypen und -bezeichnungen: |
Wagentyp |
DSB Bezeichung |
AnsaldoBreda Typbezeichnung |
Triebkopf |
MG 5601-5683 |
M1C |
Niederflur-Mittelwagen |
FH 6601-6683 |
T2HK |
Mittelwagen |
FG 6801-6883 |
T3 |
Triebkopf |
MG 5801-5883 |
M4C |
Abbildungen:
Plandienst
Entwicklung und Erprobung
Ausmusterung
IC4 in Libyen:
Das "International Railway Journal" (IRJ) meldete 2011
die Anwesenheit einer "IC4"-Einheit in der libyschen
Hauptstadt Tripolis. Dabei handelte es sich um die IC4-Garnitur ..09, die eigentlich zur Auslieferung
an die DSB vorgesehen war. Das Fahrzeug trug das DSB-Farbschema blau/lichtgrau,
das entlang der seitlichen Fenster durch gelbe und grüne Streifen
ergänzt worden war. Hinzu kamen arabische Anschriften mit den Slogans
"Zug des Lebens" und "Große Sozialistische Libysch-Arabische
Volks-Dschamahirija" - der damaligen offiziellen Staatsbezeichnung Libyens. Einige
der Fahrgasträume waren provisorisch als Salon- und Konferenzräume eingerichtet,
wobei das Mobiliar unverschraubt herumstand. Als herausragende Einrichtungsgegenstände fielen eine italienische
Espressomaschine sowie ein Jogging-Laufband auf. Alle Anschriften innenn und außen erschienen
unverändert auf Dänisch. Das Fahrzeug überstand die
Kampfhandlungen im Zuge der libyschen Revolution 2011 ohne erkennbare Schäden und
war 2020 noch auf Satellitenbildern erkennbar.
Bei dem Zug handelte es sich um ein Geschenk des italienischen Ministerpräsidenten
Silvio Berlusconi an den libyschen Diktator Muammar Gaddafi anläßlich dessen
40. Amtsjubiläums 2009. Da nur ein Streckenabschnitt von 5 km Länge
zur Verfügung stand, war eine Nutzung aber nicht möglich.
Vielmehr sollte die Gabe wohl die Aussichten der "AnsaldoBreda" und der "Ansaldo STS"
verbessern bei der Vergabe von Großaufträgen zur Errichtung einer
Hochgeschwindigkeits-Bahnlinie in Libyen und letztendlich erhielt Ansaldo STS den Auftrag
zur Lieferung der Signaltechnik. Die Bautätigkeit an Libyens ambitionierten Eisenbahnnetz
wurde 2011 eingestellt und das Personal evakuiert. Nach dem Ende des Bürgerkrieges wurde das Projekt
nicht fortgeführt.
Quellen:
AnsaldoBreda: www.ansaldobreda.it
DSB: www.dsb.dk
jst (2011): Libyen wird zum Eisenbahnland. Eisenbahn-Revue International 4/2011: 173
Mitzer, Stijn & Oliemans, Joost (2021): This was Gaddafi's personal Italian high-speed train. Oryx Blog: www.oryxspioenkop.com
Van, Bent C. (2001): Gode tog til alle. Jernbanen 1/01: 9-11.
Vraa, Nikolaj (2013): Fandt DSB's forsvundne IC4-tog i Libyen. Ekstra Bladet, www.ekstrabladet.dk
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