Orient Express der CIWL
Die 1872 gegründete Compagnie Internationale des Wagons-Lits (CIWL) betrieb europaweit Schlaf- und
Speisewagen. 1883 präsentierte man den ersten CIWL-Luxuszug "Express d’Orient"
(Orient Express), der Paris mit Konstantinopel (ab 1930 Istanbul) verband und schon bald mit
Kurswagen und Zubringerzügen ergänzt wurde. Ab 1919 wurde der Zug als "Simplon-Orient-Express"
(SOE) über Venedig geführt und bis 1941 von der CIWL betrieben. Die Reisezeit des SOE betrug
anfänglich 96 Stunden, ab 1922 noch 70 Stunden und 1930 nur noch 57 Stunden. Nach dem 2. Weltkrieg
wurde die Verbindung von den nationalen Bahngesellschaften wieder aufgenommen. Statt der einstigen
Luxusreisenden, nutzten die Verbindung nun zunehmend Arbeitsmigranten auf ihrem Weg ins
Wirtschaftswunder. Ab 1951 wurden nur noch reguläre Waggons verwendet, einige Züge behielten
aber den Begriff "Orient" im Namen. Die durchgehende Verbindung Paris-Istanbul wurde
1977 aufgegeben, der verbliebene Nachtzug Paris-Wien wurde 2009 eingestellt. Die Accor-Hotelgruppe
übernahm 1991 die CIWL und gab 2010 deren Eisenbahndienste mit Schlafwagen und Zuggastronomie
2010 an das Catering-Unternehmen Newrest als "Newrest Wagons-Lits" ab.
Zu seiner Glanzzeit erfreute sich der Orient Express größter Beliebtheit unter luxusgewohnten
und abenteuerlustigen Reisenden. Tatsächlich riet die CIWL den Teilnehmern der 7-tägigen
Eröffnungsfahrt, im Interesse ihrer eigenen Sicherheit eine Waffe mitzuführen. Zu den
Fahrgästen zählten gekrönte Häupter nebst sonstigen Adel sowie Prominente aller Art wie
Politiker, Diplomaten, Industrielle, Bankiers, Künstler und durchaus auch dubiose Gestalten.
Immer wieder ließen sich Literaten vom Reiseerlebnis oder einfach nur vom Mythos Orient Express
inspirieren, gefolgt von filmischen Umsetzungen des Stoffes. Den wohl größten Bekanntheitsgrad
erreichete hier Agatha Christie mit ihrem Kriminalroman "Murder on the Orient Express"
(Mord im Orient-Express) von 1934.
Orient Express Touristik
Der Name "Orient Express" behielt über die Zeit der legendären Luxuszüge hinaus
seine Strahlkraft und wurde ab den 1970er Jahren für nostalgische Schienenkreuzfahrten wieder
aufgegriffen. Man verwendete instand gesetzte CIWL-Waggons, wobei das Augenmerk mehr
auf dem exqisiten Komfort denn auf historischer Genauigkeit lag. Angeboten wurden
mehrtägige Reisen durch Europa im rollenden Hotel, bestehend aus Schlaf-, Speise-,
Bar- und Küchenwagen. Das Personal war rund um die Uhr verfügbar, auf einigen Routen
gab es sogar einen Bordarzt. Da der rechtliche Status der Marke "Orient Express"
ungeklärt war, verwendeten 3 Unternehmungen diesem Namen in abgewandelten Formen. In
Asien und den USA verkehrten ebenfalls Touristikzüge mit "Orient Express"
als Namensteil, diese wurden allerdings aus Neubaufahrzeugen gebildet. 2007 kam es
zum Rechtsstreit, der erst 2016 vom Europäischen Gerichtshof geklärt wurde. Während
dieser Zeit blieben alle Aktivitäten unter dem Namen Orient Express eingestellt.
"Nostalgie Istanbul Orient Express" (NIOE):
Der Reiseveranstalter "Intraflug AG" des schweizer Unternehmers Albert Glatt betrieb ab 1976 den
"Nostalgie Istanbul Orient Express" (NIOE), der exklusiv aus CIWL-Waggons der 1920er und-30er
Jahre gebildet war. Die spektakulärste Fahrt des NIOE führte 1988 unter dem Namen
"Extrême-Orient-Express" von Berlin über Warschau und Moskau nach Hongkong und von dort
aus per Schiff nach Japan. 13 der an der Reise beteiligten Wagen erhielten Breitspur-Drehgestelle und
verblieben in Rußland für Fahrten auf der Transsibirische Eisenbahn. Der NIOE wurde 1993
vom "Reisebüro Mittelthurgau" übernommen und ging nach dessen Konkurs 2001 an die
"Transeurop Eisenbahn AG" (TEAG), Basel. Nach der Klärung der Markenrechte betrieb
die TEAG ihre Züge als "Grand Express European - Train de Luxe", für die u.a.
die Dampflok 01 1102 mit rekonstruierter Stromlinienverkleidung bereit stand. Ab November 2022 stand
die TEAG unter Nachtragsliquidation, einige TEAG-Fahrzeuge inkl. 01 1102 verbliebern auf dem Gelände
des Traditions-BW "Lokschuppen Staßfurt" mit unklaren Besiztverhältnissen.
"Venice Simplon-Orient-Express" (VSOE):
Die britische "Sea Containers Ltd." begann 1977, historische Waggons der CIWL
sowie der "British Pullman Company" zu erwerben und betriebsfähig zu restaurieren.
Als erstes Produkt verkehrte ab 1982 der "Venice Simplon-Orient-Express" (VSOE) von
London über Paris nach Venedig, später europaweit. Für den VSOE wurden 16 ehemalige CIWL-Wagen
der Baujahre 1926-31 im Art Deco-Stil hergerichtet, bestehend aus drei Speise-, einem Bar-
sowie 12 Schlafwagen. 2003-06 wurden die historischen Wagen modernisiert und erhielten u.a.
neue Drehgestelle, die an weißen Markierungen erkennbar waren. Ergänzend wurden Servicewagen
in angepasster Farbgebung beschafft. Mit dem VSOE wurde ein regelmäßig bedientes Routennetz
durch Europa aufgebaut, gelegentlich wurden auch abweichende Verbindungen angeboten. Die
Sea Containers-Touristiksparte löste sich 2005 vom Mutterkonzern, firmierte ab 2014 als
"Belmond Ltd." und wurde 2018 Teil der "LVMH Moët Hennessy - Louis Vuitton SE".
Die langjährige Konkurrenz zu den von der Accor-Gruppe unterhaltenen Versionen des Orient Express
(s.u.) löste sich 2024, als LVMH eine strategische Partnerschaft mit Accor einging, um die
Marke "Orient Express" gemeinsam weiter zu entwickeln.
"Pullman Orient Express" / "The Orient Express"
Nach den Erfolgen der NIOE und VSOE stieg auch die CIWL als Teil der Accor-Gruppe 1994 in
das Geschäft mit den Nostalgiezügen ein. Als "Pullman Orient Express" wurden
innerhalb Frankreichs Tagesfahrten mit historischen CIWL-Speisewagen bis 2007 angeboten.
Nach Klärung der Namensrechte 2016 machte sich die "Orient Express S.A.S." der
Accor-Gruppe daran, die Marke "Orient Express" als hochpreisige Reisewelt
neu zu beleben (Stand 2025). So wurden die zuvor in Rußland beheimateten Waggons
des "Nostalgie Istanbul Orient Express" (NIOE) erworben und in Frankreich
aufwendig als "The Orient Express" restauriert. Die vom Architekten
Maxime d’Angeac entworfene Einrichtung war vom Design der 1920er Jahre inspiriert,
bediente aber aktuelle Komfortansprüche. Ein weiterer Zug wurde als
"La Dolce Vita Orient Express" aus Neubauwagen zusammengestellt, der das
Lebensgefühl Italiens der 1960er Jahre verkörperte. Beide Züge sollten ab 2026 in
Betrieb genommen werden. Hinzu kamen die Orient Express-Hotels "La Minerva"
in Rom und "Palazzo Donà Giovannelli" in Venedig sowie 2 Kreuzfahrt-Segelschiffe
in Planung bzw. im Bau.
VSOE in Dänemark
Der "Venice Simplon-Orient-Express" (VSOE) fuhr planmäßig keine Destinationen in
Skandinavien an, besuchte Dänemark aber im Rahmen von Sonderfahrten 1986, 1996 und 2013.
Die Vermarktung der Veranstaltungen auf dänischer Seite übernahm der Reiseveranstalter
"De Danske Vinrejser A/S".
2013 lief der VSOE auf der Sonderroute Venedig-Stockholm-Venedig und durchquerte dabei
Dänemark am 9. und am 14. April 2013. Der Zug wurde aus den 15
Waggons CIWL 3309, 3473, 3552, 3544, 3915, 4110, 4141, 4095, 3674,
3912, 3543, 3555, 3483, 3525 und 3553 gebildet. Die Traktion auf den dänischen
Etappen übernahm an beiden Tagen DSB MZ 1401 von DSB Museumstog. Die Planung
der dänischen Etappen wurde von der Abteilung "DSB
Specialrejser" übernommen, die die besonderen Gegebenheiten
von Zug und Land berücksichtigte. So wurde die Fahrt durch den
Storebælttunnel durch entsprechend geschultes Personal
begleitet, das die Einhaltung der dortigen Sicherheitsbestimmungen
überwachte: Hier war das Auslösen einer Notbremsung sowie
der Betrieb der Ofenheizung und das Benutzen der offenen Toiletten
verboten. Die Versorgung des Zuges mit frischem Trinkwasser erfolgte
in Padborg und wurde mit Tankfahrzeugen der Freiwilligen Feuerwehr
organisiert. In Kopenhagen wurden die Fahrgäste
auf fünf Hotels verteilt und der Zug auf DSB-Gelände unter
Bewachung abgestellt. Der Transfer der Reisenden zwischen Malmö und Kopenhagen
erfolgte per Bus, da keine für die Personenbeförderung
über den Øresund zugelassene Lokomotive verfügbar war.
Zum Einsatz kamen hier die Loks DB Schenker EG 3107 (Hinfahrt) und EG 3102 (Rückfahrt).
Auf der schwedischen Etappe wurde der Zug von SJ Rc 1340 und 1409
(Typ Rc6) in Doppeltraktion geführt.
Auf beiden deutschen Etappen zwischen Padborg und München Ost
wurde der Zug von DB 115 448-3 geführt. Die erste und letzte Etappe der
Tour bis und von München Ost übernahm ÖBB 1116 106 (Rückfahrt).
Quellen:
Accor SA: https://group.accor.com
Belmond Management Ltd.: www.belmond.com
DSB: DSB intranet.
Hellström, Johan: www.lokman.se
Hideaway Report: Luxury Train Travel: Venice Simplon-Orient-Express Journeys to Scandinavia. www.hideawayreport.com
Keeve, Viola (2024): Friede auf der Schiene? Warum LVMH beim "Orient Express" von
Accor einsteigt. Manager Magazin: www.manager-magazin.de
Orient Express S.A.S.: www.orient-express.com
Transeurop Eisenbahn AG: www.grand-express.eu
Vetter, Brigitte (2022): Reisen mit dem restaurierten Orient-Express-Zug an 2024 möglich.
Madsack Travel GmbH & Co. KG: www.reisereporter.de