Die Deutsche Reichsbahn (DRG) präsentierte 1933 den Prototyp eines Spezialanhängers
für Lkw, mit dem Eisenbahnwaggons und Schwerlasten auf der Strasse befördert werden
konnten. Die patentierten Fahrzeuge wurden als "Wagenroller" oder "Strassenroller"
bezeichnet, waren aber im deutschen Sprachraum allgemein unter dem Namen ihres Konstrukteurs Johann
Culemeyer als "Culemeyer" bekannt. Als Partner der Entwicklung und als Hersteller wirkten die
"Gothaer Waggonfabrik AG" und die "Waggon- und Maschinenbau AG Görlitz". Die
entscheidende Innovation der Fahrzeuge betraf das Fahrwerk: Die Gesamtlast wurde auf eine große Anzahl
relativ kleiner Räder mit Vollgummireifen verteilt, die an Pendelachsen einzeln aufgehängt
waren. Bei Kurvenfahrt wurden die Räder in Abhängigkeit von der Deichselstellung angelenkt,
das Bremsen erfolgte mit einer vereinigten Luft-Öl-Bremse. Mit dieser Konstruktion ließen sich die Fahrzeuge
gut Manövrieren und auch Bordsteinkanten konnten problemlos überfahren werden. Als Zugkraft
dienten spezielle Zugmaschinen der Hersteller "Kaelble" und "Henschel", die auf
Grund ihres kurzen Achsstandes recht wendig waren. Die Transportgeschwindigkeit lag zunächst
bei 16 km/h und wurde später auf 25 km/h angehoben. Das Verladen der Wagen auf die Strassenroller erfolgte
über Rampen an sogenannten Übersetzanlagen. Zum Abstellen der Waggons beim Kunden wurden mobile
Absetzgleise angeboten, die sich auf klappbaren Rädern leicht verfahren ließen und eine flexible
Positionierung erlaubten. Zum Bewegen der Waggons beim Übersetzen waren die Zustellfahrzeuge mit Seilwinden ausgestattet.
Die erste Serienversion des Culemeyer erschien 1935 unter der Bezeichnung "R40" mit insgesamt
16 Rädern und einer Tragkraft von 40 t. Die Fahrzeuge bestanden aus 2 Rahmen mit 2 jeweils Achsen, die
über eine Kuppelstange verbunden waren. Durch die Verwendung von Kuppelstangen unterschiedlicher Länge
ließen sich die R40-Culemeyer an den Radstand der zu transportierenden Waggons anpassen. Diese Bauform erwies
sich allerdings als umständlich, da fest installierte Rampen zum Übersetzen der Waggons erforderlich waren.
1942 folgte eine sechsachsige Version des Culemeyer mit einem einteiligen Rahmen, 12 außenliegenden Rädern
und einer Tragkraft von 60 t. Bei dieser Bauform reichte ein ebenerdiges Anschlußgleis sowie fester
Strassenbelag zwischen und neben den Gleisen zum Umsetzen der Waggons aus. Es wurde lediglich eine kurze
Rampe benötigt, die auf eigenen Räder beweglich war und leicht mitgeführt werden konnte. Das Konzept
der einteiligen Strassenroller setzte sich letztendlich durch und wurde zur Vorlage für alle weiteren
Entwicklungen. Versuche mit anderen Bauformen und selbstfahrenden Strassenrollern blieben dagegen Einzelstücke.
Strassenrollerbetrieb der DRG
Die DRG stellte den Culemeyer 1933 am Anhalter Bahnhof in Berlin unter dem Motto "Die Eisenbahn ins Haus" der Presse vor,
wobei die Fahrzeuge als "fahrbares Anschlußgleis" bezeichnet wurden. Adressaten waren Unternehmen ohne eigenen
Gleisanschluß und mit einem regelmäßigen Frachtaufkommen, das sich mit einzelnen Güterwagen
erledigen ließ. Für einen rentablen Betrieb bedurfte es mehrerer Kunden im Einzugsbereich eines
lokalen Betriebszentrums, das seinerseits an einem Bw oder einem Güterbahnhof angesiedelt war und
so wurde im Oktober 1933 am Standort Viersen am Niederrhein ein entsprechender Versuchsbetrieb für 1 Jahr
eingerichtet. Der erste reguläre Kunde wurde 1934 allerdings die Werkzeugmaschinenfabrik "Billeter & Klunz AG"
aus Aschersleben, deren Hobelmaschinen für den Transport per Fuhrwerk oder Lkw zu schwer waren. Da der zuständige
Stadtbaurat alle befestigten Strassen und Plätze freigab, konnte in Aschersleben der erste Strassenroller Regelverkehr
aufgebaut werden, der schon innerhalb eines Jahres 12 weitere Unternehmen bediente. Die Transportkosten wurden für
jeden Abnehmer unter Berücksichtigung der Faktoren Wegstrecke, Tonnage und Zeitaufwand einzeln berechnet.
Man kalkulierte zunächst mit 30 Waggons wöchentlich, erreichte aber schon bald Spitzenwerte von bis zu
90 und führte im ersten Jahr insgesamt 4.284 Transporte durch. Der Großteil der Fracht bestand aus
Kohle und Koks, letztendlich eignete sich das System aber für alles, was sich mit zweiachsigen
Güterwagen transportieren ließ. Von Kundenseite wurde die Zeitersparnis geschätzt, da das bisher
notwendige Umladen der Fracht auf Fuhrwerke entfiel und auch die freie Wahl des Entladeortes auf dem Werksgelände
wurde gelobt. Für die DRG ergab sich bei allem Aufwand der Vorzug, die gesamte Transportkette in der eigenen
Hand zu halten. Darüber hinaus gab es weder aus der Öffentlichkeit, noch von Behördenseite Beschwerden
über beschädigte Strassenbeläge oder störende Vibrationen. Auf Grund dieses Erfolges
wurden weitere Standorte mit entsprechenden Übersetzanlagen eingerichtet und bis April 1938 hatte man rund 163.000
Waggons an 140 Kunden zugestellt. Der Bestand der zweiteiligen R40-Culemeyer bei der DRG lag 1939 bei 49, von
der einteiligen Bauform wurden 80-120 Exemplare gefertigt.
Eine zusätzliche Verwendung fanden die Strassenroller für den Transport großer und
schwerer Objekte wie Maschinen, Transformatoren, Kesselanlagen etc., wodurch die DRG in den 1930er Jahren
zum führenden Schwerlastspediteur wurde. Bei überlangen Lasten wurden bis zu vier Strassenroller
wie Drehgestelle unter dem Frachtgut angeordnet und ggf. mehrere Zugmaschinen vor und hinter dem Lastzug
verwendet. Mit diesem Verfahren ließen sich auch Drehgestell-Waggons befördern. Zu den
spektakulärsten mehrteiligen Transporten zählten sicherlich die Überführungen von 15 Flusstankschiffen
1940 sowie von 6 U-Booten für die 30. U-Flotille 1942. Die Transporte erfolgten vom Elbufer in Dresden über
rund 425 km Autobahn bis zur Donau in Ingolstadt. Weiterhin nutzte die Wehrmacht die Culemeyer der DRG für
Schwertransporte von Geschützen etc. und beschaffte zusätzlich eigenes Material.
Einführung
Teil 1: Culemeyer-Patent, DRG
Teil 2: DB, DR, DSB-"Vognbjørn"