Seit Anfang des 20. Jahrhunderts wurden vielfältige Versuche
unternommen, Verbrennungsmotoren als wirtschaftlich günstige
Alternative zur Dampftraktion zu etablieren. Die Herausforderungen
lagen bei der Konstruktion von Motoren mit ausreichender Leistung und
einer zuverlässigen Kraftübertragung, so daß sich die
Versuche zunächst auf Triebwagen für Nebenstrecken
konzentrierten. In Deutschland leistete die "Allgemeine
Elektricitäts-Gesellschaft" (AEG) Pionierarbeit mit
insgesamt 21 benzolelektrischen Triebwagen u.a. für die
"Königlich Preussische Eisenbahn Verwaltung" (KPEV).
Benzol war als Nebenprodukt der Steinkohleverkokung allgemein
verfügbar und wurde als "heimischer Treibstoff"
beworben. Ab den 1920er Jahren wurde Benzol zunehmend mit Benzin
gemischt bzw. durch dieses als Vergaserkraftstoff ersetzt.
Nach Ende des ersten Weltkrieges unternahm die AEG einen neuen Anlauf mit
Benzoltriebwagen, die als "Öltriebwagen" annonciert
wurden. Der Motor und das pneumatisch gesteuerte 4-Gang Getriebe
stammten von der AEG-Tochter "Nationale Automobil Gesellschaft,
Berlin Oberschöneweide" (NAG). Die Wagenkästen wurden
bis auf wenige Ausnahmen von den "Linke Hoffmann Lauchhammer
Werke, Köln Ehrenfeld" (LHL) geliefert, an denen AEG
ebenfalls Anteile hielt. Ab 1921 betrieb die AEG auf der Kleinbahn
Beeskow-Fürstenwalde bei Berlin zu Vorführzwecken den
Prototyp eines zweiachsigen Triebwagens. 1923 wurde eine eigene
Typenreihe vorgeschlagen, die aus drei zweiachsigen Modellen (A1-3)
und zwei Mustern mit Drehgestellen (B1, B2) bestand. Eine weitere
Typenreihe (E1-7) sogenannter "Einmannwagen" kam über
die Planung nicht hinaus. Die AEG konnte AEG 1921-28 international
insgesamt 107 Einheiten inklusive einiger Benzol-Straßenbahnwagen
absetzen. Wegen des begrenzten Erfolges ging die AEG mit der
"Deutsche Werke Kiel AG" (DWK) eine Kooperation ein, die
1926 zur Gründung der "Triebwagenbau AG" (TAG) führte.
Die TAG vermarktete vorwiegend Antriebsanlagen für Triebwagen und ging
nach dem Rückzug von AEG 1937 ganz in der DWK auf.
Da die AEG-Kunden weitgehend individuelle Ausführungen forderten,
entsprach kaum einer der ausgelieferten Öltriebwagen den
ursprünglichen Entwürfen und eine rationelle
Serienfertigung war nicht möglich. Einheitlich war dagegen die
Antriebsanlage und die allgemeine Auslegung der Fahrzeuge. Der Motor
war im Führerstand im Fahrzeugrahmen gelagert, das
Getriebe war unter Flur angeordnet. Die Triebwagen waren an beiden
Stirnseiten mit großen Kühlern ausgerüstet,
zusätzlich führte über dem Motor ein Kühlluftschacht
auf das Dach und mündetet dort in einer charakteristischen Ablufthutze. Der
Wagenkasten war aus Eichenholz aufgebaut und mit Blech beplankt. Der
Innenraum gliederte sich in zwei endständige Einstiegsräume
mit Führerständen sowie in einen Fahrgastraum mit
Mittelgang und 2+3 Sitzanordnung. Ein WC war nicht vorgesehen,
die Heizung erfolgte mittels Abwärme des Motors.
Die dänischen Privatbahnen entsandten 1921-22 eine gemeinsame
Studienkomission, die u.a. den AEG-Vorführwagen auf der
Kleinbahn Beeskow-Fürstenwalde bei Berlin begutachtete. Auf
Grund des positiven Eindrucks erfolgte die Bestellung je eines
Fahrzeugs von den Bahnen AB, KS und KEJ. Die Ausführung der
Wagen entsprach weitgehend den AEG-Standardentwürfen, hiervon abweichend waren
lediglich an den Stirnseiten die Türen und die klappbaren Übergangsbrücken
für das Zugpersonal. Bei den Wagen
AB 1 und
KS M 1 handelte es
sich um zweiachsige Fahrzeuge entsprechend Typ A3, die sich nur in der Ausführung
der Fronten unterschieden,
KEJ M 1 war für 1000 mm Schmalspur
ausgelegt und mit zweiachsigen Drehgestellen ausgerüstet. Bei
Lieferung waren die Wagen hellgrau oder creme lackiert, in den 1930er
Jahren wurde das Farbschema bei der AB auf rot und bei den anderen
Betreibern auf rot mit cremefarbenem Fensterband geändert. Alle
drei Fahrzeuge bewährten sich im täglichen Betrieb auf
ihren Hausstrecken, wobei sie einzeln oder mit einem zusätzlichen
Bei- bzw. Packwagen verkehrten. Zwei der Wagen wurden weiterverkauft,
der letzte wurde Anfang der 1950er Jahre abgestellt. Keines der Fahrzeuge ist erhalten.
Technische Daten AEG Öltriebwagen: |
|
Typ A3 |
Typ A2 (Spurweite 1000 mm) |
Anzahl |
2 |
1 |
Hersteller |
AEG |
AEG |
Baujahre |
1923-24 |
1924 |
Achsfolge |
A 1 |
(1A)' (A1)' |
Länge über Kupplung |
13.560 mm |
11.600 mm |
Drehzapfenabstand |
- |
6.200 mm |
Achsstand / Achsstand im Drehgestell |
6.000 / - mm |
- / 1.500 mm |
Motor |
NAG, 6 Zylinder |
NAG, 6 Zylinder |
Leistung |
55 kW (75 PS) bei 950 U/min |
55 kW (75 PS) bei 950 U/min |
Kraftübertragung |
benzolmechanisch* |
benzolmechanisch* |
Höchstgeschwindigkeit |
60 km/h |
40 km/h |
Dienstgewicht |
14,0 t |
13,0 t |
Einrichtung |
50 Sitzplätze |
32 Sitzplätze |
* = Die Motoren wurden nach einigen Betriebsjahren auf Benzinbetrieb umgestellt.
Abbildungen:
Typ A3:
Typ A2:
Weitere AEG Öltriebwagen:
Zum Verbleib der einzelnen Triebwagen s.
Fahrzeugliste
Erhaltene AEG Öltriebwagen:
Zwei der AEG-Ö,ltriebwagen blieben in deutschen Sammlungen erhalten. Dabei handelt
es sich mit um die ältesten verbliebenen Verbrennungstriebwagen überhaupt,
die damit von einem erheblichen eisenbahnhistorischen Interesse sind. Beide Fahrzeuge
befinden sich allerdings in einem fortgeschrittenen Zustand des Verfalls,
mit einer Restaurierung ist in absehbarer Zeit nicht zu rechnen.
Ein AEG Öltriebwagen in zweiachsiger Regelspurausführung entsprechend Typ A3
blieb beim "Verein Verkehrsamateure und Museumsbahn e.V." (VVM) in Hamburg
erhalten. Das Fahrzeug mit der Werksnummer145450 wurde 1925 an die "Süddeutsche
Eisenbahn Gesellschaft" (SEG) als T 3 geliefert und später als T 24 umgezeichnet.
Der Wagenkasten stammte von "Van der Zypen & Charlier,
Köln-Deutz", der ursprüngliche 75 PS NAG-Motor wurde im Laufe der Betriebsjahre
gegen einen 150 PS Büssing-Dieselmotor getauscht. Der Triebwagen gehöhrte 1978-89 zur
Museumsbahn "Hessencourier" und wurde anschließend von der VVM
erworben. Wegen eines Motorschadens konnte T 24 aber nur kurzzeitig im Museumsbetrieb
aktiv verwendet werden und wurde nach ca. 2 Mio. km Laufleistung am
Standort Schönberger Strand in der Fahrzeughalle abgestellt.
Ein weiterer AEG-Öltriebwagen in Schmalspurausführung mit
Drehgestellen wurde beim "Deutschen Eisenbahn-Verein
e.V." (DEV) in Bruchhausen-Vilsen bewahrt. Das Fahrzeug wurde 1925 an
die "Rendsburger Kreisbahn" als T 1 geliefert und dort 1939 auf
Dieselantrieb umgerüstet. 1957 gelangte der Wagen als T 23
zur "Sylter Inselbahn", von wo er 1971 an die "Interessengemeinschaft
Historischer Schienenverkehr e.V." (Selfkantbahn) verkauft wurde
und 1981 schließlich an den DEV ging.
Quellen:
Alkjær, H. (1977): Motormateriellet, AEGs benzinmekaniske vogne. Signalposten 1. Jg., nr. 1: 2-14.
Löttgers, Rolf (1984): Die Benzoltriebwagen der AEG/NAG. Jahrbuch für Eisenbahngeschichte
Band 16/1984. Lübbecke: Verlag Uhle & Kleimann.
Poulsen, John (1984): Motor Materiel 2: Motormateriellet fra udenlandske fabrikker før
1945. Roskilde: bane bøger.
Verein Verkehrsamateure und Museumsbahn e.V. (VVM): www.vvm-museumsbahn.de
Zur Fahrzeug-Übersicht