Zum Ablösung der Dampftraktion auf Nebenbahnen und im leichten Hauptstreckendienst
beschaffte die DB eine neue Bauart einmotoriger Drehgestell-Dieselloks mit hydraulischen
Wandlern und Gelenkwellenantrieb. Die Loks erhielten die Baureihenbezeichnung V 100 und
wurden bei MaK in Zusammenarbeit mit dem Bundesbahnzentralamt entwickelt. Die Konstruktion der V 100 war
auf einem geschweißten Rahmen aus Stahlblechen und -profilen aufgebaut. Die Aufbauten bestanden
aus halbhohen, schmalen Vorbauten sowie einem leicht außermittig angeordneten Führerhaus
mit eigenen Steuerständen für jede Fahrtrichtung. Unter dem langen Vorbau war der
Motor und die Kühlanlage angeordnet, der kurze Vorbau nahm einen Dampferzeuger zur
Zugheizung sowie einen Behälter mit 3.000 l Waßer auf. Unter dem Führerhaus
lag das Strömungsgetriebe sowie 2 Tanks für insgesamt 2.500 l Diesel. Der hochgesetzte
Führerstand ermöglichte eine gute Rundumsicht, das an den Stirnseiten ausgezogene Dach
bot reichlich Blendschutz auch bei tiefstehender Sonne. Ein Teil der Loks wurde mit Steuerungen
für Wendezüge und Mehrfachtraktion ausgerüstet. Beim Antrieb waren Motoren
verschiedener Hersteller und unterschiedlicher Leistung vorgesehen (s.u.). Ein zusätzlicher
Hilfsdiesel mit einer Leistung von 16 kW (22 PS) und Gleichstromgenerator versorgte die
elektrischen Antriebe der Heizkesselanlage und der Luftpresser.
Ein erstes Los von 7 Vorserienmaschinen wurde 1958/59 ausgeliefert, die sich bei ihrer Erprobung
bestens bewährten. Die Produktion der Serienmaschinen wurde auf alle namhaften deutschen
Hersteller verteilt und endete 1968 nach insgesamt 745 Lokomotiven. In Abhängigkeit der
installierten Motorleistung wurden 2 Unterbaureihen geführt: Die Variante V 100.10 (ab 1968: 211)
war mit 809 kW (1.100 PS) motorisiert und war an den waagerechten Lamellenverschlüßen
und dem Gitterschutz vor den Lufteinläßen der Kühlanlage kenntlich. Bis 1963 wurden
364 Exemplare ausgeliefert und im Nebenbahndienst eingesetzt. Für den leichten Hauptstreckendienst
wurde ab 1962 die auf 993 kW (1.350 PS) verstärkte Ausführung V 100.20 (ab 1968: 212), in
insgesamt 381 Exemplaren beschafft. Die höhere Leistung erforderte eine größere
Kühlanlage und so wurde ab Lok Nr. 022 der Rahmen um 200 mm nach vorn verlängert. Die
Loks waren an den nun senkrecht stehenden Lamellenverschlüßen der Kühllufteinläße
erkennbar. Eine Sonderstellung nahmen die Loks V 100 2332-2341 ein, die zusätzlich eine
hydrodynamische Bremse für den Einsatz auf Steilstrecken erhielten und 1968 als Baureihe 213
umgezeichnet wurden. Die DB beendete den Einsatz der Baureihen 211, 212 und 213 im Streckendienst
bis 2005 mit der Abstellung der letzten verbliebenen Maschinen. Rund 30 V 100 der DB blieben museal erhalten.
Die DB-Baureihe V 100 diente im Übrigen als Grundlage für die abgeleiteten Typen
DB V 90
(später: 290/291, 294, 296) für den schweren Verschiebedienst sowie für die Ausführung
V 100 PA (später G 1300 BB), die MaK für Privatbahnen anbot.
15 der abgestellten 212er wurden ab 1988 für den Einsatz mit Tunnelhilfs- (TuHi) bzw. Rettungszügen (RTZ)
als Baureihe 714 umgerüstet, weitere Loks wurden u.a. an den Bauzugdienst abgegeben.
Technische Daten DB V 100: |
|
DB V 100.10 / 211 |
DB V 100.20 / 212, 213 |
Anzahl |
364 |
381 |
Hersteller |
MaK, Deutz, ME, Henschel, Jung, Krauss-Maffei, Krupp |
MaK, Deutz, ME, Henschel, Jung |
Baujahr |
1958-63 |
1962-65 |
Achsfolge |
B' B' |
B' B' |
Länge über Puffer |
12.100 mm |
12.300 mm (bis 212 021: 12.100 mm) |
Drehzapfenabstand |
6.000 mm |
6.000 mm |
Achsstand im Drehgestell |
2.200 mm |
2.200 mm |
Motor |
Maybach MD 650, 12 Zylinder
Daimler-Benz MB 820 Bb, 12 Zylinder MAN L 12 V 18/21, 12 Zylinder MAN V 6 V 18/21, 12 Zylinder
Daimler-Benz MB 835 Ab, 12 Zylinder |
MTU 12V652 TA/TZ10, 12 Zylinder |
Leistung |
809 kW (1.100 PS) bei 1.500 U/min |
993 kW (1.350 PS) bei 1.500 U/min |
Kraftübertragung |
dieselhydraulisch |
dieselhydraulisch |
Höchstgeschwindigkeit |
100 km/h |
100 km/h |
Dienstgewicht |
62,0 t |
63,0 t |
Das Ende der V 100 im Streckendienst der DB bedeutete keineswegs das Ende dieser bewährten
Baureihen, vielmehr erlebten viele eine Renaissance bei anderen Betreibern. Die betreffenden
Loks wurden einer Modernisierung unterzogen, deren Umfang von einer Remotorisierung bis hin zu
einem fast Neubau unter Verwendung des Rahmens und der Drehgestelle reichte. Erste aufgearbeitete
Loks erschienen um 1989, wie 211 233 nach einem Umbau bei Henschel als
NVAG DL 2 oder DB 211 130 nach Instandsetzung in
den Werkstätten der Regentalbahn als
VLTJ ML 25 in
Dänemark. Mit dem 1994 in Kraft getretenen "Eisenbahnneuordnungsgesetz" und der damit
eingeleiteten Bahnreform änderte sich die Bedarfslage. Nun konnten auch private Unternehmen
überregional ihre Leistungen anbieten und es entwickelte sich eine Gründungswelle von
Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU). Hinzu kamen Gleisbaubetriebe und Lokvermieter, die alle
dringend Lokomotiven suchten.
Zahlreiche Altloks wurden in größeren Stückzahlen übernommen von Anbietern, die
ihrerseits die Modernisierung übernahmen und nach Kundenwunsch überarbeitete Loks lieferten.
Zu diesen Anbietern zählten:
Die
On Rail Gesellschaft für Eisenbahnausrüstung und Zubehör mbH (ab 1998
"Voßloh Schienenfahrzeugtechnik GmbH") entwickelte in der Niederlaßung Moers
ein Modernisierungsprogramm für die Baureihe 211 unter der Bezeichnung
DH 1004 "Regio-Lok"
(ähnlich dem Typ MaK G 1204 BB). Von der Spenderlok wurden der Rahmen, die Drehgestelle und das
Getriebe übernommen, der Motor und die Aufbauten waren neu. 1997-2003 wurden insgesamt
8 Regio-Loks ausgeliefert.
Der französischen Schienenfahrzeughersteller "Alstom S.A." gründete 2002 mit der
DB das Joint Venture
ALSTOM Lokomotiven Service GmbH (ALS) im ehemaligen RAW Stendal. Hier
wurden Altloks der Bauarten V 100 DB und DR aufgearbeitet, von denen die DB jeweils rund 100
Stück dem Unternehmen übergab. Der Grad der Instandsetzung erfolgte nach Kundenwunsch.
Gemeinsam mit der "Gmeinder Lokomotivenfabrik GmbH" (GLG) in Mosbach wurde u.a. das
Umbaukonzept "BR 214" für Loks der Baureihe 212 angeboten. Insgesamt wurden 36
DB 212 entsprechend modernisiert, die u.a. bei der DB als Baureihe 214 (bei DB Schenker Baureihe 262)
liefen und nach ihrer charakteristischen Form als "LEGO-Loks" bekannt waren. 2012 wurde
der Standort Stendal vollständig von Alstom übernommen, die Modernisierungen liefen
langsam aus und man konzentrierte sich nun auf die Instandhaltung von Lokomotiven. Ab 2014
wurden hier auch die Hybrid-Rangierloks "Prima H3" entwickelt und gefertigt.
Die
Elisabeth Layritz GmbH modernisierte rund 70 ex DB V 100 in ihren Werkstätten
und exportierte die Loks nach Österreich, Frankreich und Italien, darunter 70 ex 211 an
die ÖBB als Baureihe 2048. Das Unternehmen stellte zum Jahresende 2013 seine
Aktivitäten ein und wurde aufgelöst.
Von den modernisierten V 100 der DB fanden rund 150 Maschinen neue Aufgaben in Deutschland,
über 200 Loks gingen ins europäische Ausland. Die meisten exportierten Exemplare
wurden von Gleisbauunternehmen in Frankreich und Italien erworben, wo sie zur Standardlok wurden.
Einige Exemplare wurden temporär auch in
Dänemark eingesetzt.
Quellen:
Englmann, Max & Ludwig, Herbert (1963): Handbuch der Dieseltriebfahrzeuge der Deutschen Bundesbahn. Frankfurt a.M.:
Vermögensverwalter der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivbeamten und Anwärter GmbH.
Glatte, W. (1981): Diesellokomotiven deutscher Eisenbahnen. Düsseldorf: Alba Buchverlag.
Richter, Karl Arne: V100 West, www.v100.de
Weber, Martin (2008): Ein halbes Jahrhundert V 100. Lokmagazin 4/2008: 32-46.
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