Bei der Beschäftigung mit dänischen Eisenbahnen stolpert man
unweigerlich über eine ganze Reihe von Abkürzungen zum
Thema Zugsicherung und Zugsteuerung. Hier eine Übersicht:
ASEA-Åkerman Mehrfach- und Wendezugsteuerung:
Ab 1935 stattete Frichs die DSB-Triebwagen der Baureihen MO und MK/FK mit der Zugsteuerung
System ASEA-Åkerman aus, mit der zwei Fahrzeuge von einem
Führerstand aus gemeinsam bedienbar waren. An jedem Führerstand
waren doppelte Kontrollelemente und Telefon eingerichtet, die
Kommunikation lief über die Steuerleitungen A+B. Zwischen
beiden Triebwagen konnten Reisezugwagen eingestellt werden,
sofern diese über die entsprechenden Signalleitungen verfügten.
Aufbauend auf diesem System begann die DSB ab 1950 ihre MOs auch mit
Steuerwagen zu betreiben. Dabei wurden die Triebwagen als
Spannungsquelle für die Steuerwagen genutzt, die Versorgung erfolgte über die
zusätzliche Leitung C. Wegen des Spannungsabfalls konnten
zwischen Trieb- und Steuerwagen maximal zwei weitere Wagen mitgeführt
werden. Der Einsatz der Steuerwagen endete Anfang der 1980er Jahre mit der Ausmusterung der MOs.
ATC - Automatic Train Control / automatisk togkontrol:
ATC wurde nach dem Scheitern von ATCS als Standard-Zugsicherungssystem
der DSB eingeführt und bestand aus dem System ZUB 123
von Siemens Transportation. Verarbeitet werden Parameter
wie Signalstellung, Zuglänge und -geschwindigkeit, Bremswege
etc. Dabei werden die Signale über stationäre Sender am
Gleiskörper (Balisen) induktiv an die Züge gesendet. Das
System ist für Geschwindigkeiten für bis zu 180 km/h
geeignet. Die Erprobung von ATC in Dänemark erfolgte ab 1985 mit
der Lok MX 1016, die ab 1989 durch die seitliche Sonderaufschrift
"ATC sikrer DSB med automatisk togstyring"
(ATC sichert die DSB mit automatischer Zugsteuerung) kenntlich war.
Das System wurde bis 1996 von der DSB flächendeckend eingeführt.
Der Betrieb von Fahrzeugen ohne ATC ist seit 2000 auf Bahnhöfe,
Rangiergelände und gesondert zugelassene Strecken beschränkt.
Dies betrifft insbesondere die ATC-freien DSB Baureihen MK und Køf.
Der Einsatz von grenzüberschreitenden Triebfahrzeugen anderer
Bahnverwaltungen erfordert teure Nachrüstungen (z.B. ICE TD)
oder endet an grenznahen Bahnhöfen wie Padborg. Speziell für
die Öresundverbindung wurde ein kombiniert dänisch/schwedisches
ATC für realisiert, das ein Überfahren der Systemgrenze
beider Länder mit Geschwindigkeiten bis 200 km/h erlaubt.
ATCS - Advanced Train Control System:
ATCS basiert auf einem Steuersystem aus den USA, das von dänischen
Unternehmen mit ehrgeizigen Zielen weiterentwickelt wurde. Im Prinzip
sollte damit ein automatischer Zugbetrieb ohne Lokführer möglich
werden. 1989-1990 fand ein Versuchsbetrieb auf dem Kopenhagener
Güterring statt, wozu die Loks MX 1021 und MY 1126 sowie der
Steuerwagen Bhs 291 entsprechend ausgerüstet wurden. ATCS wurde zugunsten von ATC eingestellt.
Alle drei Fahrzeuge wurden in einem auffälligen "Grafitti"-Design
lackiert, das von der Künstlerin Lilian Adler stammte. Frau Adler studierte
damals Möbeldesign an einer Schule für Gebrauchskunst und erhielt
den Auftrag auf Empfehlung ihrer Dozenten. Die Entwurfsarbeit erfolgte in enger
Abstimmung mit der Entwicklungsabteilung der DSB.
ATP - Automatic Train Protection:
Das ATP ist eine vereinfachte und billigere Ausführung des ATC für
Strecken mit niedrigen Höchstgeschwindigkeiten wie Privatbahnen.
Die wesentliche Funktion ist der Zugstop beim Überfahren roter
Signale. Fahrzeuge mit der komplexeren ATC-Ausrüstung sind auf ATP-gesicherten
Strecken einsetzbar und zugelassen. Fahrzeuge mit der komplexeren
ATC-Ausrüstung sind auf ATP-gesicherten Strecken einsetzbar und
umgekehrt, wobei nur der geringere ATP-Sicherheitsstandard gilt.
Cactus - Zugsteuersystem der LB:
2001 erfolgte der Zusammenschluß der Privatbahnen HFHJ, GDS, HHGB, LNJ und ØSJS
sowie der DSB-Strecke "Lille Nord" zur Lokalbanen A/S
(LB) als neues Nahverkehrsunternehmen im Großraum Kopenhagen.
Zur einheitlichen Zugsteuerung wurde das
schwedische Traffic Management System Cactus eingeführt, das u.a.
auch bei der U-Bahn Stockholm und der schwedischen Roslagsbanan
eingesetzt wird. Die LB-Verkehrsleitzentrale in Hillerød kann
mit zwei Mitarbeitern sämtliche Sicherungssysteme der LB
kontrollieren und fersteuern. Die Standorte und Geschwindigkeiten
der Züge werden über GPS ermittelt. Bei Störungen
können die einzelnen Strecken per PC auch dezentral vor Ort
gesteuert werden.
CBTC - Communication Based Train Control:
CBTC ist ein digitales, halbautomatisches Zugsicherungssystem, das speziell für die
Erfordernisse von S-Bahnen und Metros mit hoher Taktfolge ausgelegt
ist. Das System basiert wie ERTMS (s.u.) auf einem ständigen Funkkontakt mit den
Fahrzeugen und erlaubt den Betrieb mit Zugführern, es sind aber
halbautomatische auch führerlose Systeme realisierbar. Eine
verfügbare CBTC-Lösung ist das Siemens Trainguard MT, das
bei der S-Bahn Kopenhagen bis 2022 eingeführt wurde. Die Einführung
fahrerloser S-Bahnzüge sollte ab 2030 begonnen werden.
ERTMS - European Rail Traffic Management System:
ERTMS ist eine Ausbaustufe des ETCS
(s.u.) und basiert auf ständiger, bidirektionaler
Funkverbindung. Wesentliche Bestandteile sind das Signalisierungs-
und Zugsicherungssystem ETCS sowie das digitale
Mobilfunk-Kommunikationssystem GSM-R (Global System for Mobile
Communication for Railways). Die induktiven Balisen dienen hier nur
noch zur Positionsbestimmung. Mit diesem System lassen sich Strecken
in flexiblen Blockabschnitten organisieren, so daß wesentlich
höhere Durchsatzzahlen möglich werden. Die Einführung
von ERMTS bei der DSB ist bis 2021 vorgesehen.
Die Umstellung des Signalsystems der kopenhagener
S-Bahn soll bis 2020 abgeschlossen sein und wird von einem Joint Venture
ausgeführt, das zu gleichen Teilen von den Firmen Strukton Rail and Aarsleff Rail
gebildet wird.
ETCS - European Train Control System:
Zur Harmonisierung des europäischen Schienenverkehrs entwickeln verschiedene
Bahngesellschaften und Hersteller das Sicherungssystem ETCS. Die
Standardisierung bezieht sich insbesondere auf die
Informationsübertragung zwischen Fahrweg und Fahrzeug
(Luft-Schnittstellen). Das ETCS Level 1 entspricht funktionell dem ATC mit
festinstallierten Sendern. Die wesentlich leistungsfähigere
Ausbaustufe ETCS Level 2 befindet sich in der Entwicklung unter der
Bezeichnung ERMTS (s.o.). Die DB gab als erste europäische
Bahnverwaltung ETCS am 05.12.2005 für den fahrplanmäßigen
Betrieb frei. Die dänische Behörde für Bahninfrastruktur
"Banedanmark" beschloß Ende 2008 die
Einführung von ETCS Level 2 auf allen DSB-Hauptstrecken.
Die Umsetzung ist für 2015-21 vorgesehen, wobei die gesamten
Signalanlagen getauscht werden sollen.
Færdigmeldingssignal Nr. 13 :
1979 wurde für Personenzüge mit Zugführer das "Færdigmeldingssignal"
Nr. 13 zur Einleitung der Abfahrt eingeführt. Bei den Loks der
Baureihen MX, MY, MZ und ME sowie den Steuerwagen der Reihe Bns wurden
hierfür seitlich an den Führerständen orange
Blinkleuchten nachgerüstet. Später beschaffte
Fahrzeuge verfügten bereits bei Auslieferung über diese Signalmittel.
Die Leuchten waren doppelt ausgeführt und blinkten alternierend,
so daß das Signal auch bei nur kurzem Hinsehen in jedem Fall zu
bemerken war. Es leuchteten jeweils die Signale auf beiden Seiten am
vorderen Ende des führenden Fahrzeuges. Die Signalleuchten lagen
hinter den Seitenfenstern der Fürerstände und waren nach vorne
abgeschirmt, um ein Blenden des Lokführers zu vermeiden.
Ablauf: Der Lokführer signalisierte dem Zugführer das Vorliegen der
Abfahrtsgenehmigung mit dem Blinksignal (Signal Nr.
13.5). Der Zugführer signalisierte daraufhin seinerseits die
Bereitschaft zur Abfahrt (Signal Nr. 13.3 oder Nr. 13.7) tagsüber per
Handzeichen bzw. nachts mit geschwenkter Signalleuchte. Alternativ
verfügte der Zugführer auch über einen akustischen
Melder (Signal Nr. 13.4), mit dem er einen Summer im Führerstand mit
der Tonfolge lang-kurz auslöste.
GM-Multipelstyring:
Die GM-Multipelstyring ist das GM-Steuersystem für Mehrfachtraktion,
das bei allen Loks mit GM-Motoren vorhanden ist. Dies gilt für die
DSB-Baureihen MY, MX, MV, MZ und ME, sowie für die zeitweilig in Dänemark
eingesetzten Loks der Typen CFL 1800 und Class 66.
Grundsätzlich ist die Anzahl der gemeinsam steuerbaren Loks unbegrenzt
und GM garantiert den Einsatz von bis zu zehn Maschinen.
In Dänemark beschränkte man sich dabei auf maximal drei Einheiten. Die
durchgehende Steuerleitung der Fahrzeuge wurde bei der DSB allgemein als
"elefantkabel" bezeichnet.
Das GM-Steuersystem kam auch bei den Kohlezügen des Kraftwerks
"Herningværket" der I/S Vestkraft zum Einsatz: Die Ganzzüge
verfügten über eine durchgehende Steuerleitung
und wurden mit einer Zug- und einer Schublok gefahren.
HKT - Hastighedskontrol og automatisk togstop:
HKT ist das Zugsicherungssystem der kopenhagener S-Bahn.
INDUSI - Induktive Zugsicherung:
INDUSI ist eine Einrichtung zur Zugbeeinflussung beim Überfahren von
Haltesignalen etc. Das System geht auf deutsche Entwicklungen aus den
1930er Jahren zurück und gehört zu den Systemen der Punktförmigen
Zugbeeinflussung (PZB). Bei der DSB sind Fahrzeuge der
Reihen EG und MF für den grenzüberschreitenden Verkehr nach
Deutschland mit INDUSI ausgestattet.
ITC - Internal Train Control:
Zur Steuerung von Wendezügen wurde ab 1968 von dem dänischen
Unternehmen Dansk Signal Industri (DSI) das digitale System ITC
entwickelt. Für die Signalübertragung wird das 13-adrige
Standardkabel verwendet, mit dem seit 1964 alle
UIC-Reisezugwagen der DSB (Typen A, B, Bn etc.) sowie die
"APO-lyn"-Probezüge ausgestattet waren.
Das System wurde zunächst mit der Lok MX 1017
und dem ehehmaligen MO-Steuerwagen CRS 3602
erprobt und anschließend bei Nahverkehrszügen mit dem
Steuerwagen Typ Bns eingeführt. Mit ITC
können in einem Zug bis zu zwei Dieselloks bei einer
beliebigen Anzahl von Wagen gesteuert werden.
NBO - Nødbremseoverstropning:
Ein System, das die Notbremse beim Durchfahren des Øresundtunnels
überbrückt und einen Nothalt erst unter offenem Himmel zuläßt.
Das System soll das sichere Evakuieren eines gestoppten Zuges gewährleisten.
PZB - Punktförmige Zugbeeinflussung:
s.o.: INDUSI
ZWS - Zeitmultiplexe Wendezug Steuerung:
Digitales Steuersystem zur Kontrolle von Lokomotiven in Merhfachtraktion und
von Steuerwagen. In Dänemark sind die Loks der Reihen EA und ME sowie die
Nahverkehrs-Steuerwagen ADns-e (vormals Bns-e) und
die Doppelstocksteuerwagen ABs mit diesem System ausgerüstet.
Quellen:
Andersen, Torben (1998): DSB litra MY, type 567. Næstved: Lokomotivets forlag.
Andersen, Torben (1999): DSB litra MX, type 567. Næstved: Lokomotivets forlag.
Andersen, Torben (2002): DSB litra MZ, type 645. Næstved: Lokomotivets forlag.
Cactus Automation AB: www.cactus.se
Christensen, Peter & Poulsen, John (1999): Motor Materiel 5: Med motor fra GM.
Smørum: bane bøger.
Hauerslev, Thomas (2014): Interview Lilian Adler. www.hauerslev.com.
N.N. (1992): Automatic Train Control. Jernbanen 4/92: 112-114.
Pedersen, Claus Kirchoff (2003): Holdetider på danske togstationer.
Centre for Traffic and Transport (CTT), Technical University of Denmark.
Poulsen, John (1995): Styrevognstog. Smørum: bane bøger.
SBB (2008): Fact-Sheet European Train Control System (ETCS)
Siemens Danmark: www.nwe.siemens.com/denmark/internet/dk/produkter/mobility/signal/Pages/togkontrol.aspx
Wegener, Marco: www.indusi.de